Raster – Der erste Schritt
Ich möchte heute mit etwas beginnen, das sehr einfach ist und das grundlegend für jede Zeichnung, für jedes bildnerische Gestalten ist: der Raster. Einen Raster zu zeichnen, bedeutet, dass ihr ein Zeichenblatt vor euch habt und senkrechte gerade Linien vom oberen bis zum unteren Rand des Blattes durchzieht und dann waagrechte gerade Linien von links nach rechts. Immer gerade. Ihr könnt euch eine Randlinie, in ca. 1,5 cm Abstand vom Zeichenblattrand anzeichnen, oder es gar nicht einfassen. Aber auf jeden Fall zieht ihr nur gerade Linien. Diese einfache Übung scheint sehr banal zu sein, aber sie bietet unendliche viele Möglichkeiten, die Kreativität in dieser Einfachheit auszuloten.
Wie geht das? Beginnt am besten mit Kohle. Ihr nehmt also einen Kohlestift und setzt ihn oben an eurem Zeichenblatt an und zieht ihn hinunter. Während ihr den Stift führt, achtet ihr darauf, dass ihr diesen Stift, der einen Abrieb hat, leicht dreht, sodass die Linie präzise bleibt. Ihr könnt sie sehr stark ziehen oder sehr zart. Wenn ihr die erste Linie gesetzt habt, sagen wir senkrecht, kommt eine zweite waagrecht dazu. So gehen die beiden Linien einen Dialog ein.
Der allererste Dialog entsteht schon, wenn ihr die erste Linie setzt, im Raum eures Blattes. Diese eine Linie definiert schon den Raum. Ihr hört schon, sie definiert den Raum – es ist also eine Übung, um den Bildraum an sich begreifbar zu machen. Die zweite Linie zieht ihr also von links nach rechts, die nächste Linie wieder von oben nach unten, im Dialog mit den anderen beiden. So entsteht Linie für Linie der Raster. Die Linien zueinander sind einmal enger, einmal weiter entfernt auszuloten. Ihr denkt nichts. Seid schön einfach. Von oben nach unten, von links nach rechts. Näher zusammen oder weiter auseinander. Dünne Linien oder dicke. Mehr habt ihr nicht zu beachten.
Wenn ihr am Anfang unsicher seid, könnt ihr euch auch entscheiden, die Abstände immer gleich groß zu machen, zum Beispiel immer zwei Zentimeter. Ganz regelmäßig derselbe Abstand von oben nach unten, und von links nach rechts ebenso, sodass die Linien zueinander immer denselben Abstand haben. Nur durch die leichten Ungenauigkeiten der Handführung entsteht eine sehr spannende, sehr reizvolle Komposition, die ihr aber nur erzielen könnt, wenn ihr die Qualität der Linie verfolgt und einfach bleibt.
Es gibt also zwei Rasterübungen. Immer denselben Abstand, sodass die Kästchen immer gleich groß erscheinen, oder unterschiedliche Abstände, sodass die Kästchen unterschiedliche Größen haben. Mit diesen Abständen könnt ihr variieren, aber immer setzt ihr eine Linie nach der anderen im Gefühl für das Gesamte, für den Augenblick des Tuns. Kein Konzept davor. Das Konzept davor ist der Raster. Aber denkt euch nicht noch etwas Zusätzliches. Ihr geht nur auf die Qualität der Linie ein.
Ihr könnt diesen Raster auch mit Bleistift versuchen. Dann rate ich euch, eine etwas kleinere Fläche zu definieren, weil es mit Bleistift naturgemäß mehr Arbeit ist. Ihr könnt es auch mit Kugelschreiber probieren oder, wenn ihr ein großes Format habt, gerne mit einem Pinsel, den ihr in die Tusche taucht. Aber am besten ist es, wenn ihr am Anfang nur mit Kohle arbeitet.
Das ist der erste Schritt zu einem Raster. Ihr habt keine Konzepte, sondern gestaltet ganz aus dem Inneren, aus dem Gefühl heraus. Ihr achtet nur auf die Abstände zueinander und die Qualität der Linie. Das sind schon genug Parameter. Keine Komplikationen. Das ist eine so wichtige Übung, die für alle anderen Schritte im bildnerischen Gestalten grundlegend ist und die euch sehr gut als Basis für alle weiteren Schritte dienen wird.
Ich wünsche euch gutes Gelingen!