Leberblümchen

Wenn man den Fortschritt des Frühlings in der Natur beobachtet, dann sind es die kleinen Blütchen, die einen begeistern, wenn sie sich Schritt für Schritt aus der braunen Laubschicht oder aus den braunen Wiesen heraus entwickeln. Ein frühes, sicheres Zeichen für den Frühling ist das Leberblümchen. Je höher man in die Berge hinauf geht, desto mehr kommt man in dieser Zeit mit dem Leberblümchen in Kontakt. Es sind oft große Flächen in den Wäldern, die blau und lila, ganz zart betont, flächig von diesen Leberblümchen durchdrungen sind.

Das Leberblümchen hat den lateinischen Namen „Hepatica nobilis“, oder auch „Hepatica triloba“. Die genaue Übersetzung heißt „gewöhnliches Leberblümchen“ oder „drei lappiges Leberblümchen“. Es ist aus der Familie der Hahnenfußgewächse, das sieht man schon an der Blüte und später auch am Fruchtstand. Der Name Leberblümchen leitet sich von der Gestalt der Laubblätter ab, sie erinnern in ihrem Umriss an die Form einer Leber. Die Bedeutung hat also keinen Zusammenhang mit dem medizinischen Wirkungsgrad. Sie sind im Gegenteil etwas giftig.

Was auf jeden Fall besonders auffällt, ist die Farbe. Die Farbe nennt sich Azurblau. Die Blüten sind in so einem unbestimmbaren Farbton zwischen Blau und Lila, den man eben mit dem Namen Azurblau bezeichnet. Es gibt dieselben Blütchen etwas heller, etwas dunkler, auch rosa, sogar im starken Violett oder auch in Weiß. In Mitteleuropa sind sie sehr weit verbreitet.

Das Leberblümchen wächst in der Humusschicht über Kalkböden, vor allem, wo der Humus auch ein bisschen lehmig ist, bei Buchen- und Eichenwäldern, aber durchaus auch bei Fichten- und höher liegenden Nadelwäldern. Im Norden von Deutschland ist das Leberblümchen auch auf Sandböden zu finden. Es hat gerne Schatten oder Halbschatten, zu viel Sonne mag das Leberblümchen gar nicht. 2013 gab es die Kür für das Leberblümchen zur Blume des Jahres und ihr kennt vielleicht den Ausspruch: „Hepatica nobilis, das heimische Leberblümchen, ewiger Schatz halbschattiger Vorfrühlingsgärtchen“.

Also man kann es auch gezüchtet in Gärten erleben. Es überdauert den Winter, es ist eine eher krautige Pflanze und sehr, sehr ausdauernd.
Wir wollen uns in diesem Impuls das Leberblümchen ganz genau anschauen. Wenn es euch gelingt, in die Natur zu gehen und ein Leberblümchen zu finden, könnt ihr es studieren oder ihr schaut euch Fotos im Internet an. Da seht ihr acht azurblaue Blütenblätter und wenn ihr auf die Unterseite der Blüte schaut, seht ihr drei grüne Hochblätter.

Ihr könnt das Leberblümchen von beiden Seiten zeichnen. Das ist etwas, das sehr einfach erscheint, wenn man aber genau hinschaut, ist es doch herausfordernd. Besonders herausfordernd, aber auch reizvoll, ist dieses kleine Kügelchen in der Mitte, aus dem sich der Samen und der Fruchtstand entwickeln, mit diesen Staubgefäßen. Dieses grüne Bällchen mit den weißen Staubgefäßen, die sich wiederum als wunderbare Linien von innen sich verjüngend nach außen sich verbreiternd in diesen Fruchtstempel hinein bewegen.

Auch die Blütenblätter haben eine schöne, zarte Wölbung und innen kleine zarte Streifen. Es ist also keine einfarbige Fläche, sondern sie ist in sich ganz fein strukturiert. Das könnt ihr mit dem Farbstift lösen. Die Ränder dieser Blütenblätter sind sehr glatt, aber nicht ganz regelmäßig. Wenn ihr genau schaut, so sind die Bögen der äußeren Ränder nicht bei jedem Blütenblatt dieselben; da könnt ihr euch austoben, je nachdem wie sich das Blatt eben wölbt.

Die Laubblätter, in dieser drei lappigen Form, sind eben das Typische an den Leberblümchen. Sie kommen aber oft erst, wenn die Blumen schon verblüht sind. Dann weiß man: „Ah, hier waren die Leberblümchen zu Hause“, weil sie eben sehr markant drei lappig sind.

Was ist darüber hinaus das Interessante? Der Stängel. Die Leberblümchen erscheinen sehr gerade, wenn man sie im Wald sieht. Immer in Büscheln zusammenstehend, scheint es so, als ob sie gerade Stängel hätten. Die sind aber nicht kerzengerade, sondern biegen sich leicht. Und das ist als Doppellinie für die Zeichnung sehr herausfordernd. Wenn ihr näher herangeht, könnt ihr noch etwas beobachten, dass diese Stängel ganz fein behaart sind.

Auch die grünen Hochblätter auf der Blütenunterseite sind an der Kontur ganz sanft behaart. Das war davor die Knospe, die sich dann geöffnet hat und aus der sich die Blütenblätter entwickelt haben. Diese Blütenblätter schließen sich, wenn es regnet. Sobald es regnet, schließt sich die Blüte und dann ist sie noch unscheinbarer. Wenn ihr diese zarten Härchen zeichnet, müsst ihr sehr aufpassen. Die dürfen nur hauchen, eine Ahnung von Hauch bilden. Denn sie sind fast unsichtbar.
Die Leberblümchen sind auf jeden Fall eine Pflanzenart, die – so einfach sie auch sind – für das Zeichnen höchst interessant ist. Durch die Doppellinien im Stängel, die ihr mit zwei Linien definiert und durch die Formen der Blätter habt ihr immer auch das Thema von Vitalität in der Form, und auch die Geometrie ist in dieser einen Pflanze angedeutet. Damit könnt ihr spielen.

Natürlich, ein Leberblümchen macht noch keinen Frühling, wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht. Ihr zeichnet also viele Leberblümchen, so wie sie eben blühen. Ihr könnt in Grau bzw. mit Bleistift arbeiten. Ihr könnt es auch in Farbe versuchen. Immerhin ist es eine Pflanze des Frühlings und eure Sehnsucht nach Lebendigkeit drückt sich in der Farbe aus. Die Natur schenkt uns diese wunderbaren Farben. Mit dem Leberblümchen noch dazu etwas in Azurblau, das in der Natur sehr, sehr selten vorkommt.

Ich wünsche euch eine sehr schöne Stimmung für dieses zarte Leberblümchengewächs, das ihr euch für diesen Impuls vornehmt. Übrigens ist die Briefmarke von Moldawien mit einem Leberblümchen verziert, so wertvoll ist dieses zarte Frühjahrsgewächs. Schaut, dass es euch gut geht, wenn ihr euch an euren Zeichentisch setzt.

Entwickelt auch diese Freude bei der Gestaltung und Zeichnung in diesem feinen Kleinod der Natur. Alles Liebe und schöne Ergebnisse!