Folge 1 – Wie finde ich ins Zeichnen hinein?

Zeichenimpulse
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Folge 1 – Wie finde ich ins Zeichnen hinein?
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Wie finde ich ins Zeichnen hinein?
Erst einmal durch die Gestaltung eures Arbeitsplatzes. Es braucht nicht viel. Es braucht einen Tisch, der in der Zeit des Zeichnens dem Zeichnen vorbehalten ist. Also räumt alles, was sonst noch auf dem Tisch ist, zur Seite. Bereitet euch eine Unterlage und Papier vor, legt eure Zeichenmaterialien, Bleistifte von unterschiedlichen Härtegraden, Radiergummi, Spitzer und vielleicht auch eine Küchenrolle hin.
Der Zeichenplatz muss für euch stimmen. Vom Licht her. Die Sonne sollte nicht direkt aufs Zechenblatt scheinen. Ihr solltet mit eurem Körper keinen Schatten auf das Blatt werfen. Der Stuhl, auf dem ihr sitzt, sollte so sein, dass ihr gut sitzen könnt. Der Platz muss ein Platz sein, den ihr mögt. Der für euch in dieser Zeit auch Arbeitsplatz ist. Manche haben ja einen tatsächlichen Arbeitsplatz zuhause. Die, die sich den erst schaffen müssen, machen sich den Platz zum Zeichentisch für die Zeit, in der sie zeichnen. Mit der Zeit werdet ihr dann schon ein kleines Ateliergefühl in euren eigenen Räumen haben, wenn ihr euch den Platz gut und sorgsam vorbereitet.
Auch die Vorbereitung der Zeichenblätter ist wichtig: Legt euch mehrere Zeichenblätter zur Seite und ölt ein paar davon ein. Dieses Einölen kann mit einer Ölfarbe sein, die mit Malmittel verdünnt ist, nur mit Malmittel oder mit einem Speiseöl, das ihr zu Hause habt. Von Terpentin rate ich eher ab, weil es Dämpfe hat, die nicht unbedingt gesund sind – oder ihr habt „Terpin“ – ein geruchloses Malmittel – es wäre die ideale Lösung. Außer ihr arbeitet am Balkon. Auf jeden Fall schaut, dass ihr das Blatt vorpräpariert. Vorsichtig, wenn es ein dünnes Blatt ist, dass es durchs Wischen nicht knickt. Eigentlich ist es gut, wenn ihr euch mehrere dieser geölten Blätter vorbereitet.
Dann bereitet ihr euch eine Musik vor. Eine Musik, von der ihr sagt, dass sie jetzt zu eurem Zeichenbeginn genau die Richtige ist. Die euch und eurer Stimmung entspricht. Es ist egal, ob das eine klassische Musik ist, eine Popmusik, eine Rockmusik, ob das eine Volksmusik ist oder Jazz oder Tango oder was immer ihr liebt. Diese Musik könnt ihr euch mal vorbereiten, überlegen, was ihr mögt.
Dann, bevor das Ganze losgeht, macht ihr ein paar Übungen im Stehen. Und zwar dehnt ihr euch, streckt euch, ihr atmet ganz tief ein und aus. Mehrere Male. Wenn ihr euch dehnt, streckt und beugt, dann so, dass ihr es genießen könnt, nicht so, dass ihr euch verreißt oder übertreibt. Sondern so, dass es euch lockert und in eine gute physische Position bringt. Und dann setzt ihr euch hin, aber ihr habt noch keinen Stift in der Hand. Ihr schließt die Augen, atmet ganz bewusst durch den Körper. Ganz bewusst. Keine Gedanken werden festgehalten. Ihr schaut nur nach, welche da sind. Die dürfen kommen und gehen. Dann kehrt ihr wieder bewusst in eure Atmung zurück. Fühlt, wie ihr dasitzt. Beginnend mit den Füßen am Boden, dann tastet ihr schön den Körper ab. Ihr spürt die Füße am Boden aufsitzen, dass sie nicht überkreuzt sind und sie im rechten Winkel zum Gesäß sind. Dann tastet ihr die Unterschenkel bis zu den Knien und die Oberschenkel ab. Vor allem das Gesäß sollt ihr spüren. Dann spürt ihr eure Wirbelsäule, eure Schultern, die Oberarme, bis hinaus in die Hände. Dann hinauf in den Nacken und den Kopf. Bis zur Spitze des Kopfes, vorne zur Stirn. Dann nehmt ihr bewusst eure Augen wahr. Die Schläfen, die Zunge, die Nase, den Mund, das Kinn, den Hals, den Brustkorb, den Bauchraum. Atmet ganz durch euren Körper durch. Sehr bewusst. Ihr konzentriert euch nur auf das, was ihr im Moment in euch und eurem Körper fühlt. Ihr richtet euch gut ein.
Und dann habt ihr die Möglichkeit, die Musik einzuschalten. Die Augen könnt ihr wieder schließen und mit geschlossenen Augen nehmt ihr euren Stift und setzt ihn auf eurem vorbereiteten Papier an. Und folgt ausschließlich dem, was euch die Musik erzählt. Welche Inspiration sie euch gibt. Kritzelt, mit höchster Aufmerksamkeit auf die Bleistiftspitze – sanft aufgedrückt, stark aufgedrückt, ob es kurze Striche oder Punkte sind, lange Linien, kurze Linien, gekrümmte Linien, gerade Linien – das ist egal. Schaut nur, dass ihr nicht mechanisch werdet, sondern der Eingebung der Musik folgt. Manchmal sind es eher die Melodien, die in der Musik eine Rolle spielen. Dann achtet ihr darauf, welche Instrumente ihr hört. Dann werdet ihr bemerken, da gibt es andere Instrumente, die immer wieder übernehmen. Ihr merkt den Rhythmus, den Wechsel des Rhythmus. Laut und leise. Die Stimmung, die sich über die Musik auf euch überträgt. Und so arbeitet ihr auf eurem Blatt ganz in dieser Einheit mit der Musik. Mit dem Bewusstsein auf die Zeichnung, auf die Bleistiftsspitze und eure Hand, die da führt. Ob sie links oder rechts ist, ist egal. Ihr könnt diese Arbeit auch mit der linken Hand zeichnen. Ein guter Versuch. Wenn ihr dann das Gefühl habt, jetzt könnte sie fertig sein, die Zeichnung, erst dann öffnet ihr die Augen. Und auch dann erst ist das erste Experiment abgeschlossen. Ihr könnt ein neues Blatt nehmen. Ihr könnt auch ein trockenes Blatt nehmen, um herauszufinden, wie unterschiedlich diese Bleistiftlinie, die ihr mit dem Bleistift in dem Moment setzt, auf dem geölten oder dem ungeölten Blatt ist. Einfach herauszufinden, was die Hand tun muss, um gute Linien zu kreieren. Während ihr mit dem Bleistift arbeitet, kann sich der Bleistift auch drehen. Und somit spitzt er sich dann auch während des Zeichnens und Arbeitens an. Aber keine wie immer gearteten Formen. Das ist das Kritzeln, das Frei-Sein, das Intuitiv-Sein. Das ganz auf den Augenblick eingeht und das nichts anderes verfolgt als die Qualität dieser Linien und Zeichen, die gerade im Entstehen sind.
Wenn ihr das Gefühl habt, das Musikstück ist ja viel länger und hat viel mehr Spektrum als ihr auf einem Zeichenblatt festhalten könnt, dann arbeitet dieses Musikstück auf verschiedenen Blättern durch. Dann, wenn ihr das Gefühl habt, ja, jetzt habe ich dieses Musikstück ausgereizt, aber Lust auf ein Neues, dann natürlich: Heran und herbei! Dann nehmt euch das nächste vor! Ihr habt keine Grenzen. Versucht wirklich, diese Linien zu forcieren. Und wenn ihr müde seid, müsst ihr aufhören und Pause machen.
Auf das Zeichenblatt kommt dann eine Notiz, welche Musik das war und welcher Tag. Alle Ziffern und Buchstaben der Beschriftung sind Teil des Bildgeschehens. Und sind sehr bewusst gesetzt. Das könnt ihr auf einem anderen Blatt üben. Gedanken, Ideen, Wörter, Sätze, alles, was als Gedanken durch den Kopf geht, habt ihr auf einem beigelegten kleinen A4 Blatt neben euch und schreibt euch sofort auf. Sofort festhalten, diese Gedanken sind kostbar.
Ich wünsche euch gutes Gelingen!