Der Hund, die Katze und der Vogel
Unsere Zeichenaufgabe widmet sich diesmal den Tieren. Dem Hund, der Katze und dem Vogel. Was hat das mit dem Sommer zu tun? Es hat vielmehr mit eurer inneren Einstellung, mit eurer Qualität beim Zeichnen zu tun. Vielleicht erscheint euch diese andere Ebene beim Zeichnen zunächst unwichtig. Aber dennoch fließen diese Gedanken, die wir beim Zeichnen unbedingt brauchen, ja mit ein. Sucht euch also eines dieser Tiere aus. Wer mit dem Hund nichts anfangen kann, der wählt die Katze. Oder den Vogel, der im Sommer singt und trällert und euch jeden Tag das Abendlied am Balkon pfeift.
Ich möchte gerne beginnen, den Hund zu besprechen. Der Hund ist ein dem Menschen sehr nahes Tier. Er ist vor allem ein treues Tier. Ein Hund ist, wenn er ein gutes Verhältnis zu seinem Herrchen oder Frauchen hat, ein absolut treues Wesen. Jetzt können wir das auf den inneren Hund in uns umlegen. Der innere Hund kann auch die Treue zu sich selbst bedeuten. Diese Treue ist etwas, was euch ganz tief gehört. Beim Zeichnen also das, was ihr entwickelt habt, die wunderbaren Linien, die neuen Ideen, die neuen Bildlösungen, auch die Kämpfe, die euch mitunter während des Prozesses begleitet haben.
Diese Entwicklung, die nur dann möglich ist, wenn ihr die Treue zu euch selbst entwickelt. Wenn ihr euch selbst vertraut, euch etwas zutraut und euch selbst treu bleibt. Es gibt so viele Einflüsse, besonders in der bildenden Kunst. Man sieht so viel, man hört viel. Man erfährt durch die Medien von Künstlern, die mit einer bestimmten Methode erfolgreich sind.
Was zeichnet diese Künstler aus? Sie machen das Ihre. Nicht, dass sie künstlerisch immer die allerbesten sind, das würde ich manchmal bezweifeln. Aber wir haben die Situation, dass wir die Aufforderung erleben, uns und dem, was wir aus uns selbst entwickeln können, treu zu sein. Nicht immer nach außen zu schielen, ob dies oder das erfolgreich oder in Mode ist. Das passiert ohnedies unweigerlich, wir können uns ja nur schwer von diesen Gedanken oder Einflüssen fernhalten. Aber das Einmalige und das Authentische, das können wir nur aus unserem Inneren herausschöpfen.
Damit sind wir eigentlich schon bei einer Qualität, die der Katze eigen ist. Die Katze sagt: „Dies schert mich gar nicht.“ Sie hat eine große Eigenwilligkeit. Ich wünsche euch also die Treue eines Hundes, aber auch die Eigenwilligkeit in der Qualität der Katze. Dass ihr euch selbst sagt: „Ich weiß, was ich möchte. Ich probiere das aus, das leiste ich mir jetzt. Das traue ich mir zu und das möchte ich mir zutrauen. Das mache ich jetzt aus eigenen Stücken.“ Ich möchte an dieser Stelle zwei Anregung aus der Kunstgeschichte geben, und nenne Eugène Delacroix aus dem 18. Jahrhundert oder Bilder von wilden Katzen von Luc Tuymans aus dem 21. Jahrhundert.
Dann haben wir noch die Kraft des Vogels, der für die geistige Freiheit steht. Dass ihr euch traut, euch diese Freiheit zu nehmen, eigenwillig zu sein, euch treu zu sein. In die geistige Freiheit zu gehen und trotzdem bei euch selbst zu bleiben. Es gibt in der Kunstgeschichte eine Reihe von zauberhaften Darstellungen von Vögeln – sucht sie euch, findet sie! Als Beispiele gebe ich hier die Eule von Albrecht Dürer oder den Eisvogel von van Gogh.
Diese Qualität der drei Tiere versucht in eurer Zeichnung umzusetzen. Wer einen Hund machen möchte: der Hund hat natürlich viele verschiedene Facetten. Es gibt viele Hunderassen und unterschiedliche Qualitäten, die ein Hund haben kann. Es gibt Wachhunde und Schoßhunde. Hunde, die gar nicht zum Wachen geeignet sind, weil sie gar zu lieb sind. Hunde, die besonders gut in der Nase ausgebildet sind, die speziell zum Schnüffeln da ist. Nach Geld, oder Drogen, oder Waffen. Oder auch Lawinenhunde wittern sehr gut. Welcher Hund das sein soll, welche Rasse, das wisst ihr selbst am besten. Das ist wiederum auch etwas sehr Persönliches.
Viel geht über die äußere Form des Hundes, über die Größe, das Fell. Beim Fell des Hundes, oder auch der Katze, und bei den Federn des Vogels, dort liegt die ganze Emotion. Im Gesicht ist nicht viel Mimik drinnen. Die Augen, die Schnauze, die Ohren, die sind natürlich markant, aber es ist vor allem das Fell, das das Aussehen bestimmt. Ist es ein struppiges Fell, ein weiches Fell, ist es kurzhaarig oder langhaarig?
Das alles könnt ihr in eurem Hund bestimmen. Schläft er, ist er wach, ist er aufmerksam, ist er grad gemütlich, läuft er, springt er oder sitzt er, reicht er die Pfote oder steht er einfach da? Das alles könnt ihr bei eurem Tier selbst bestimmen. Es gibt viele Vorbilder, an denen könnt ihr euch auch orientieren. Es gibt den wunderbaren Hund von Dürer, oder der Hund von David Hockney, den er immer wieder gezeichnet hat. Ihr könnt euch auch gerne aus dem Internet solche Hunde heraussuchen, die schon gezeichnet sind von großen Meistern, um es euch leichter zu machen.
Vor allem für die, die noch nie einen Hund, eine Katze oder einen Vogel versucht haben. Probiert es einfach aus. Ich wünsche euch eine schöne, innige Auseinandersetzung mit den Qualitäten, die diese Tiere symbolisieren. Vor allem mit dem Hund, der Treue zu euch selbst. Dass ihr nicht schielt auf die Zeichnungen von anderen, sondern auf euer Inneres, auf eure Stärken und eure Qualitäten, auf eure wunderbaren Talente.
Auf eure Liebe zur Kunst und zum Zeichnen und der Welt gegenüber, und dieses damit verbundene Einfühlungsvermögen.