Der Apfel

Diesmal möchte ich euch gerne in das Reich der Äpfel verführen. Ein Thema, das im Sommer startet und bis in den Herbst hineingeht. Der Apfel hat eine sehr umfangreiche Kulturgeschichte und eine unendliche Geschichte in der Mythologie, der Spiritualität, der Religion. Da gibt es unzählige Apfelgeschichten.
Der Apfel ist bei uns als Frucht sehr bekannt. Er stammt wahrscheinlich aus Asien, aus dem Kaukasus, wo die Äpfel schon sehr früh gekreuzt wurden und eine köstliche Frucht ergeben haben. Der Apfel ist immer aktuell. Er ist sehr gesund, wir kennen das englische Sprichwort: „An apple a day keeps the doctor away“. Es gibt unglaublich viele Sorten von Äpfeln, allein im Alpenraum sind es über 150 verschiedene Sorten. Erzherzog Johann, der Bruder von Kaiser Franz I., hat seinerzeit in der Steiermark viel Aufbauarbeit und Modernisierung hervorgebracht.

Er hat Apfelmodelle von über 150 verschiedenen Apfelsorten in einer Berliner Werkstätte in Auftrag gegeben. Da gab es eigene Apfelmodellbauer und diese Modelle sind so echt und so schön, dass man das Gefühl hat, man könnte hineinbeißen, selbst wenn man sie in der Hand hält. Sie sind auch im Gewicht, in der Form, in der Farbe und im Glanz genauso wie in der Natur.

Aber nicht nur das, der Apfel ist auch Teil vieler anderer Worte. Kartoffeln werden in Österreich Erdäpfel genannt. Es gibt den Paradiesapfel, damit ist die Tomate gemeint. Daher kommt auch das Wort Paradeiser. Es gibt Pferdeäpfel, wie der Kot der Pferde wegen der Form genannt wird. Sprichwörtlich verwenden wir den Zankapfel, der aus der griechischen Mythologie kommt.

Vielleicht kennt ihr das Bild von Rubens, das Urteil des Paris, in dem Paris einen Apfel in der Hand hält. Das war der goldene Apfel, der den Hesperiden, den Wächtern der goldenen Äpfel, entwendet wurde. Paris musste damit eine Entscheidung treffen. Und zwar gab es einen Streit unter den Göttern und Paris sollte den goldenen Apfel der schönsten Göttin schenken. Er hat schließlich Aphrodite gewählt, die ihm im Gegenzug die schöne Helena als Frau versprach. Helena war allerdings schon verheiratet und so kam es dann zum Trojanischen Krieg. Paris musste jedenfalls eine Entscheidung treffen, wem der goldene Apfel gehören soll, und genau dieser Moment wird in dieser berühmten Darstellung gezeigt: Paris mit dem Apfel in der Hand.

Im 11. Jahrhundert kam als kreative Innovation der Reichsapfel in die Geschichte. Jedes große Herrscherhaus hatte einen Reichsapfel. Der erste war der kaiserlich römische Reichsapfel, der in Wien in der Schatzkammer zu sehen ist. Aber in jedem Herrscherhaus, also auch in Preußen, in Schweden, in Dänemark, gibt es einen, mit dem die Herrscher, den Apfel in der linken Hand, symbolisiert haben, dass sie mächtig sind und die Welt in der Hand halten. Diese Reichsapfelidee ist ausschließlich symbolisch. Manchmal ist er neben dem Zepter auch Teil der Kronjuwelen, den Insignien der Macht.

Die wichtigste Apfelmythologie ist der Sündenfall. Die Vertreibung aus dem Paradies hat unmittelbar mit dem Apfel zu tun. Es hätte auch eine andere Frucht sein können, aber wir assoziieren diese Darstellung mit dem Apfel. Diese Symbolik ist im Mittelalter durch ein Wortspiel entstanden. Denn auf Lateinisch heißt „malum“ sowohl „Böses, Schlechtes“ als auch „Apfel“. Daher kommt diese Idee, dass die Frucht ein Apfel war. Es geht dabei auch um die Symbolik der Erbsünde, die mit dem Genuss, dem Biss in den Apfel begonnen hat und zur Folge hatte, dass die Menschheit aus dem Paradies geworfen wurde.
Was ist dabei einstanden? Als Adam die Frucht vom Baum der Erkenntnis gegessen hat, in diesem Augenblick war die Einheit von Gott und der Welt und des Lebens gebrochen. Das Unterscheidungsvermögen, was gut und was böse ist, war in den Menschen gelegt und damit auch die Sünde. Somit ist der Apfel ein Symbol für die Erbsünde.
Auch in jüngerer Geschichte gibt es einen Link zum Apfel. Das ist der Korbinians-Apfel. Manche haben die 402 Zeichnungen des bayrischen Apfelpfarrers Korbinian Aigner vielleicht bei der Documenta 13 in Kassel im Jahr 2012 gesehen. Der Korbinians-Apfel war eine Zucht von diesem Geistlichen, der im KZ Dachau gefangen gehalten und getötet wurde. Es ist ihm noch gelungen, Zeit seines Lebens, seine gezüchteten Äpfel aus dem KZ Dachau herauszuschmuggeln und so ist uns dieser Korbinians-Apfel erhalten geblieben. So gibt es eine sehr traurige Zeitgeschichte in Verbindung mit Äpfeln.

Der Apfel ist auch verbunden mit allem, was Leben bedeutet. Er ist ein Sinnbild des Lebens. Als Nahrungsmittel, als etwas, das gesund ist, das uns nährt. Aber wir haben auch andere Sinnbilder erwähnt als Apfel des Zankes, als Apfel der Religion, als mythologischer Apfel, als Wortspiel. Der Apfel ist auch ein uraltes Symbol der Erde. Er wurde schon von Anfang an der Offenbarung des weiblichen Prinzips, den Göttinnen und der Liebe, der Sexualität und der Fruchtbarkeit zugeordnet. Im kunsthistorischen Zusammenhang hängt die Bedeutung des Apfels immer auch vom Kontext im Bild ab. Das alles ist in der Kunstgeschichte zu finden.
Jetzt kommen wir aber zu unserer Aufgabe. Ein Apfel ist etwas, dass wir aus dem Alltag kennen. Wir stellen uns nichts wahnsinnig Besonderes vor, weil er uns so gewöhnlich erscheint. Manche essen täglich ihren Apfel. Diesen Alltagsgegenstand wollen wir nun in die ästhetische Realität heben. Wie funktioniert das? Der Apfel hat eine einfache Form.

Dennoch kann man, wenn man ihn genau anschaut und unterschiedliche Sorten nebeneinander legt, erkennen, dass jede Apfelsorte ihre eigene Form hat. Vielleicht gelingt es euch, ein paar verschiedene Apfelsorten zu bekommen. Vielleicht sogar ein paar alte Apfelsorten – als alte Apfelsorte gilt eine Sorte, wenn sie vor 1940 gezüchtet wurde. Diese Äpfel in ihrer Form zu betrachten ist die erste Aufgabe.

Natürlich haben sie unterschiedliche Farbigkeit und Farbstrukturen, Mischungen von Grün bis Gelb, Rot und Orange. Es entsteht eine Pracht durch die Farbe. Dann könnt ihr den Apfel in seiner äußeren Form studieren. Es ist eine Linie, die den Apfel umschreibt. Macht keine Schatten hinein. Sondern nur die Form und den Stängel. Den Stängel markiert ihr als eine parallele Linie, so wie er sich wegbewegt.

Vielleicht habt ihr das Glück, dass er noch Blätter vom Apfelbaum trägt. Aber das Wesentliche ist der Apfel selbst. Wenn ihr die äußere Form betrachtet habt, schneidet den Apfel in der Mitte durch und studiert die beiden Apfelhälften. Die Umrisslinie und das Kerngehäuse. Studiert das ganz genau. Die Kerne sind dunkle Elemente auf eurem weißen Zeichenblatt. Ihr könnt das Kerngehäuse so richtig zu eurem Thema machen.
Am Ende geht noch ein Biss in den Apfel. Dass ihr ihn auch kostet. Schmeckt. So habt ihr drei Möglichkeiten: den Apfel von der äußeren Form, den aufgeschnittenen Apfel und den angebissenen Apfel. Der Apfel möge euch in all diesen Formen Freude bereiten!
Wenn ihr verschiedene Äpfel habt, ordnet sie vielleicht nebeneinander. Oder ihr studiert ein und denselben Apfel aus verschiedenen Blickrichtungen. So, dass ihr euer Auge schult, die kleinsten Veränderungen zu sehen.

Es ist sehr schwer, diese zarten Schwingungen, diese minimalen Erhöhungen und Vertiefungen des Apfels dann auch darzustellen und so hinzubekommen. Es soll kein mechanischer Apfel werden, der gekonnt aufs Blatt kommt. Sondern ihr sollt ihn ganz genau studieren. Wenn ihr aber wenig Zeit habt, den Apfel nicht studieren könnt, weil ihr in Eile seid, dann schneidet euch den Apfel auseinander, bemalt ihn und wie mit dem Kartoffeldruck könnt ihr ihn auf das Blatt drücken. Und so über die Farbe und den Druck eine sehr schöne Arbeit erzeugen, die euch hoffentlich Spaß macht. Ich wünsche euch viel Lust am Apfel, viel Freude. Bereitet euch gut vor, so dass ihr fühlt, dass ihr den Apfel zurück ins Paradies holt.

Alles Gute dafür!