Der Duft des Lavendel

Feinfühligkeit und Einfühlungsvermögen sind Eigenschaften, die für das Zeichnen ganz wesentlich sind. Das werdet ihr bei den vergangenen Impulsen bestimmt gemerkt und geübt haben. Diesmal lade ich ein, ein Lavendelfeld anzusehen, das euch als Anregung dienen soll und diese Übung mit den Feldern im Detail fortsetzt.
Ein Lavendelfeld besteht aus vielen Lavendelbüschen. Wir kennen diese Lavendelfelder aus der Provence in Frankreich. Es fällt auf, dass die Landschaft leicht hügelig ist. Je nach Blickwinkel kann man im Hintergrund einen grünen Fleck oder ein Haus, das ganz grün eingewachsen ist erkennen, das sich farblich in diese Lavendelstrukturen einfügt.

Der Hintergrund dieser Übung ist, dass ihr eine kleine Geometrie für ein mögliches Haus in euer Zeichenfeld einführt. Um dieses Zeichenfeld herum baut ihr dann die Struktur eures Feldes auf, die ein bestimmtes Wachstum hat. Wie hier in dem Fall der Lavendel.

Die erste Tat für eure Zeichnung ist, dass ihr euch klar werdet, wie groß euer Lavendelfeld auf dem Zeichenblatt sein kann. In diesem Fall ist es ein Haus, das die Geometrie in dem Feld bildet. Es gibt vielleicht leicht schräge Linien, da wo das Haus ins Dach übergeht. Das Dach selbst besteht aus vielen feinen Linien, die die Struktur des Daches ergeben. Genau so, aber viel subtiler, ist dann der Bewuchs der Hausmauer. Prüft die Kontur des Hauses, wie fein beispielsweise die linke Hausseite gezeichnet ist, wo man noch ein bisschen von der Vorderfront erahnt.

Dann geht ihr mit zeichnerischem Auge in die Linien dieser Felder. Das Feld besteht aus vielen Lavendelbüschen, die in ihrer Anordnung wirken wie in die Landschaft gezeichnete Linien. Durch die Bewegtheit der Linien kann man sehen, wie bewegt die Landschaft ist, wie die leichten Hügel die Struktur der Landschaft ergeben. Die Landschaft ist selten vollkommen flach. Sondern es sind Hügel oder leichte Krümmungen zu sehen, selbst in einem flachen Feld. Und diese Krümmungen ergeben ein wunderbares Spiel der Linien.

Die Konzentration auf die Linie selbst ist sehr wichtig. Es gilt, die Linien auf dem Foto genau anzuschauen. Generell spricht man von klaren Linien, harten Linien oder weichen Linien – in diesem Fall sind es weiche Linien. Sie sind an sich sehr weich und mit vielen feinen, zeichnerischen zarten Linien zusätzlich weich moduliert. Schaut euch auch die Perspektive an.

Wie bei einer Zentralperspektive verlaufen die Linien von links in Richtung Bildmitte und von rechts auch in Richtung Bildmitte. Es gibt eine annähernde Gerade, die fast durchgehende gerade Linie rechts neben dem Haus. Auch verjüngen sich die Linien nach hinten und erweitern sich nach vorne. Schaut auch, wo die Linien unterbrochen sind. Nämlich dort, wo eine Krümmung ist. Also die Linie muss nicht immer ausgezeichnet sein.

Wenn ihr Lust habt, könnt ihr dieses Foto selbst anfertigen oder eines aus dem Internet nehmen, um es zu zeichnen. Ihr könnt aber natürlich jede andere Beobachtung aus der Natur nehmen. Schaut euch aber in jedem Fall dieses Lavendelfeld gut an. Damit ihr angeregt seid, ganz genau hinzuschauen, mit zeichnerischem Auge, mit dem Bewusstsein für die ästhetische Realität. Wodurch ihr dann das, was ihr in der Natur seht, in euer Zeichenblatt aufnehmt. So werdet ihr noch reduzierter sein, noch präziser in der Beobachtung der Linien zueinander. Wie sie schwingen und wie sie sich krümmen können und wie ihr eine Weichheit in die Zeichnung bringt.

Was das Lavendelfeld unbedingt vorgibt und was sehr schwer ist, in der Zeichnung abzubilden, ist der Duft. Das ist unser heutiges Thema, der Duft des Lavendel. Dass es duftig wird bedeutet, dass ihr ganz weiche Linien braucht. Ganz weiche Linien! Die Linien sind einerseits in sich selbst weich gezeichnet, weich moduliert, andererseits aber auch im Verlauf der Linie ganz weich. Sie verlaufen immer scheinbar zufällig, sind also nicht mechanisch gezogen. Sondern mit hohem Bewusstsein.

Und dieses Rechteck, das das Haus meint, das ist die Geometrie zu diesen sehr weichen Linien. Diese Geometrie und Vitalität in der Form auf der einen Seite, die Perspektive auf der anderen Seite und die weiche Modulation der Linien verschaffen euch die Basis für etwas, was man sonst nicht so leicht ausdrücken kann. Nämlich, etwas duftend zu machen. Etwas duftet in eurer Zeichnung, weil die Linie flirren. Ein duftendes Lavendelfeld, das purer Genuss.

Ich wünsche euch sehr gutes Gelingen und viel Freude beim Zeichnen!