Christrose

Mitten im tiefen Winter gibt es ein Wunder in unserer Natur und dieses Wunder ist eine Blume, die mitten im Winter blüht. Und zwar ist das die Schneerose. Die Schneerose ist auch bekannt als Christrose oder Schwarze Nieswurz. Die Pflanzenart kommt vor allem in den Alpen vor, in Deutschland gibt es sie nur in Bayern. Sie ist allerdings vom Aussterben bedroht und daher geschützt, in Deutschland steht sie sogar auf der roten Liste der gefährdeten Pflanzen. Die Hauptblütezeit ist von Jänner und Februar bis in den April hinein, je nachdem wie viel Schnee es gibt und wie hoch er liegt.

Aber es gibt sie natürlich auch in den Gärten, vor allem in Steingärten. Die Schneerose ist eine Rose, die sehr beglückend zu sehen ist. Einfach aus dem Grund, dass wenn man ein Schneefeld sieht und plötzlich weiße Blüten herausstehen, man begeistert ist. Die Schneerose wird grundsätzlich normal von Bienen bestäubt, aber durch die frühe Blütezeit ist das manchmal nicht möglich. Deshalb sind sie sehr lange bestäubbar und sie können sich sogar selbst bestäuben, wenn die Witterungsverhältnisse und die Klimaverhältnisse es ermöglichen. Der volkstümliche Name Schneerose bezieht sich auf den Schnee, also auf die frühe Blütezeit zu Jahresbeginn. Der Name Christrose kommt daher, dass man diese Pflanze so kultivieren konnte, dass die Blüten sich ungefähr um die Weihnachtszeit entfalten.

Deswegen wird sie auch als Weihnachtsrose bezeichnet. Es gibt noch viele andere Namen für diese Pflanze, besonders in Österreich. Interessant ist auch der Wurzelstock, der ist nämlich schwarz, woraus sich der Name Schwarze Nieswurz ableitet. Schneerosen sind stark giftig. Wenn man aus Versehen Teile einer Schneerose isst, kann es zu Schwindel, zu Durchfall oder auch zu einem Kollaps kommen.

Aber diese Pflanzen haben natürlich auch eine große Wirkung in der Medizin entfaltet. Sie enthalten Herzgifte, die, ähnlich wie bei der Digitalis oder Fingerhut in der Medizin verwendet werden. Schon seit den frühesten Aufzeichnungen ist Wahnsinn damit behandelt worden und auch gegen Epilepsie war sie geschätzt. In der antiken Medizin wurden psychische Erkrankungen damit erklärt, dass zu viel schwarze Galle im Körper produziert wird. Das Niesen galt deswegen als die beste Abhilfe und so hat man Nieswurz verabreicht.

Zwanzig Tage Nieswurz zu trinken war ein sehr bekanntes Mittel, aber genauso bekannt war der Spruch „Drei Tropfen machen die Wangen rot, zehn Tropfen machen den Menschen tot.“ Die Heilkunde hat die giftigen Wirkstoffe also sehr früh erkannt und verschiedenste Anwendungsgebiete dafür gefunden. Abgesehen von Wahnsinn und Epilepsie wurden damit Krampfanfälle, die es früher sehr häufig gab, behandelt.

Es war auch ein Abtreibungsmittel und ein Abführmittel, es wurde gegen Zahnschmerzen und gegen Hämorrhoiden verabreicht, und es wurde natürlich für das Herz gegeben. In der Homöopathie nutzt man bis heute die Wirkstoffe der Schneerose. Diese Tatsache hat auch stark in die Kulturgeschichte hineingewirkt. Diese Wirkungen der Schneerose haben die Literatur befördert, die Fantasie. In seinen Satiren hat Horaz dazu geraten, gegen den verbreiteten Geiz allen eine Nieswurz zu verabreichen.
In der Legende vom Heiligen Martin vergiftet er sich im Exil an einer Christrose, überlebt aber durch sein Gebet. Es gibt das berühmte Weihnachtslied „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ bei dem die Christrose gemeint ist. Im Märchen von Zwerg Nase von Wilhelm Hauff gibt es ein Heilkraut und dieses Heilkraut heißt Niesmitlust, es verweist also auf die Nieswurz. Es gibt auch viele Gedichte über die Schneerose, etwa „Auf eine Christblume“ von Eduard Mörike oder von Johannes Trojan „Die Christrose“, die ihr weißes Haupt hebt.

Oder ein Gedicht von Hermann Lingg, „Die weiße Weihnachtsrose“, oder von Kurt Hertha „Es blüht eine Rose zur Weihnachtszeit“. Auch in einem Roman von Ludwig Ganghofer, nämlich in „Der Klosterjäger“, erwähnt er die Schneerose als Symbol des ewigen Lebens und als Heilmittel. Auch sehr bekannt ist von Selma Lagerlöf die „Legende von der Christrose“. Darin erfährt eine Räubermutter in einem dunklen Wald Gnade dank dieser Blume, die Christrose hat ihr geholfen und sie beschützt.
Die Schneerose ist in verschiedenen Stadien interessant. Die Blüte im Schnee. Der Fruchtstand, der sehr markant ist. Die Blätter, die immergrün sind. Die Pollen, die, wenn man sie sehr stark vergrößert, aussehen wie Kaffeebohnen. Die Botanik hatte schon immer eine große Freude daran, diese Pflanze darzustellen, es gibt zahlreiche Illustrationen von ihren einzelnen Bestandteilen in den unterschiedlichsten Pflanzenatlanten.

Wozu ich euch in diesem Impuls anregen möchte, ist, so viele Teile von dieser Schneerose wie möglich ganz realistisch zu zeichnen. Also eine Naturstudie. Ihr könnt die Teile wie in botanischen Illustrationen gesondert zeichnen, nicht miteinander verbinden, sondern nur als einzelne Teile auf das Blatt setzen.
Wenn ihr diese Zeichnung macht, studiert ihr Millimeter für Millimeter, sehr genau. Es ist im Grunde eine einfache Blüte: fünf Blätter und darin der Blütenkelch mit den Staubgefäßen. Auch die grünen Blätter selbst sind in Wahrheit sehr einfach zu zeichnen. Aber zeichnet so genau wie möglich. Und wenn ihr diese Schneerose tief verstanden habt, durch das genaue Hinschauen, nehmt ihr ein neues Blatt, schließt eure Augen und zeichnet diese Pflanze blind noch einmal. Ihr achtet nur auf die Spitze des Bleistiftes und wie ihr ihn aufdrückt.

Ihr habt diese Pflanze verinnerlicht, ihr wisst genau, wie sie ausschaut. Und ihr werdet feststellen, dass eure Linien sehr locker werden, dass die Form sehr locker erscheint und dass ihr euch sehr viel gemerkt habt. Ihr könnt das öfter versuchen, wenn ihr sagt: „Ah, das probiere ich noch einmal. Das ist lustig, ich habe noch Energie, ich möchte das noch einmal versuchen und schließe wieder die Augen.“

Dabei entstehen mehrere Blätter und ihr könnt eines davon aussuchen, mit dem ihr dann eine umgekehrte Zeichnung versucht. Dazu könnt ihr mit Bleistift die Fläche zwischen den Linien stark mit feinen, eng aneinander liegenden Strichen schwarz ausarbeiten und die Linien, die ihr angezeichnet habt, weiß stehen lassen.

Also: von beiden Seiten schwarz definieren, sodass weiße dünne Linien von eurer Zeichnung entstehen. Ihr könnt auch ein Feld anzeichnen, sodass ein Quadrat euer Gebiet umfasst, wo ihr mit euren Linien von außen nach innen die Fläche bis zum Weiß hin artikuliert. Das ist die Aufgabe, zu der die Schneerose euch anregen möge.
Die Schneerose hat wie gesagt diese heilende Herzwirkung, aber auch für die Seele ist sie fördernd. Wenn wir sie anschauen, ist sie einfach hinreißend in diesem zarten Rosa des Äußeren, in den Blütenblättern oder auch im Fruchtstand, wo es in manchen Phasen zum Teil ein zartes Rosa oder ein zartes Gelb gibt.

Auch dieses Weiß ist so wunderbar. Aber noch viel mehr sind es natürlich die Konturen. Diese wunderbaren Konturen, wie die Blütenblätter und die grünen Blätter geschwungen sind. Wie einfach diese Blüte funktioniert und wie stark sie im Ausdruck ist.

Ich wünsche euch für diese Übung sehr viel Erfolg und sehr viel Freude!