Weicher Übergang
Der letzte Impuls war eine Anregung, einen scharfen Kontrast zu zeichnen, von oben nach unten beziehungsweise von unten nach oben. Heute möchte ich mit euch einen weichen Kontrast versuchen. Das ist etwas sehr Wichtiges, das man in der Zeichnung immer wieder braucht, und wir wollen es als Übung einmal versuchen. Es wird eine tolle Zeichnung, wenn ihr euch Mühe gebt, denn es ist ein bisschen mühsam, aber ihr lernt auch viel für alle anderen Aufgaben, bei denen ihr weiche Übergänge braucht. Zieht über das Zeichenblatt eine Diagonale; eine ganz zarte, nur für euer Auge, sodass ihr wisst, dort ist die Bruchlinie des Übergangs.
Damit ist euer Blatt auch schon in zwei Hälften geteilt: die zwei Seiten dieser Diagonale. Dann beginnt ihr die eine Seite, sagen wir die linke Seite, ganz zart mit feinen Strichen zu definieren. Ihr braucht also einen härteren Bleistift. Und damit definiert ihr, indem ihr viele Striche übereinander lagert, den Bildraum von oben dunkel nach unten hell. Das heißt, ihr geht ganz zart in diese Fläche hinein und nur durch die vielen Überlagerungen erscheint es dunkel, dort, wo die Striche verdichtet sind, und wird dann graduell weniger dicht, leichter und dadurch heller.
Besonderes Augenmerk nehmt ihr dort, wo die Bruchkante ist, also die Linie der Diagonale. Dort müsst ihr schauen, dass ihr weich bleibt, und keine harte Kante entsteht. Denn auf der anderen Seite, die ihr noch nicht bearbeitet habt, ist es genau umgekehrt. Dort, wo auf der linken Seite die Striche sehr verdichtet sind, ist auf der rechten Seite der zarte Zeichenvorgang. Auf der linken Seite geht es von oben kräftig nach unten zart, auf der anderen Seite von unten kräftig nach oben zart. Durch diese Umkehrung jenseits der Diagonale entsteht dieser weiche Übergang nicht nur innerhalb einer Seite, sondern auch von links nach rechts, von einer Seite der Diagonale auf die andere. Es entsteht also ein doppelter Lichtraum: von unten nach oben und von links nach rechts.
Diese weichen Übergänge sind sehr wichtig zu verstehen, genauso wie die harten Kontraste wichtig zu verstehen sind. Denn wenn wir sie uns bewusst machen im Zeichnen, dann können wir sie gut einsetzen, dort wo wir sie brauchen. Für den Lichteinfall, für Hell und Dunkel, für einen starken Kontrast, zum Beispiel im Fall eines Schattens. Konzentriert euch auf diese weichen Kanten, den Kontrast weich zu halten und dadurch die Konturen verschwimmen zu lassen.
Sie werden weich und verschwimmen von Dunkel nach Hell. Das ist eine schöne Aufgabe. Dieses Weich-Sein in der Zeichnung ist oft schwierig zu begreifen, weil es in unserem Sprachgebrauch gerne missbräuchlich verstanden wird, dass wenn etwas weich ist, dann wird es oft als schwach empfunden.
Das ist damit ganz sicher nicht gemeint, sondern ich meine dieses Weiche eher im Sinne der Mona Lisa mit ihrem feinen Lächeln, wo dieser ganz feine, weiche Anflug des Lächelns das Bild so besonders macht. Das ist auch im Übergang der Farbe genau zu beobachten. Vielleicht schaut ihr euch ein Bild von der Mona Lisa an, damit ihr versteht, was mit weich gemeint ist.
Eine weiche, fließende Veränderung von Dunkel nach Hell, das ist heute die Aufgabe. Bereitet euch gut vor, auch was eure Energie anlangt, eure Bewegung, aktiviert euch. Ich merke immer mehr, dass durch die aktuelle Situation, die so unglaubliche Herausforderungen an uns alle stellt, die Energie nachlässt, der Enthusiasmus nachlässt. Aber gebt nicht auf. Schwingt euch auf, bewegt euch, lächelt euch im Spiegel an. Und dann geht frohen Mutes an die Zeichnungen.
Viel Spaß und Alles Liebe!