Falten und Wellen

Ihr habt in den letzten Zeichnungen mit Licht und Schatten gearbeitet. Was mit diesen Licht- und Schattenarbeiten auch angesprochen ist, ist der große Themenkomplex der Räumlichkeit. Wir sind immer fasziniert, wenn wir in einem Bild vorne und hinten, oben und unten, links und rechts erkennen. Es ist egal, ob gegenständlich oder abstrakt, wir lieben es, wenn wir in Räume schauen können.

Wir haben schon einiges geübt, was mit Räumlichkeit zusammenhängt: Groß und Klein, Licht und Schatten, der stufenlose Übergang von Dunkel zu Hell und von Hell zu Dunkel. Heute möchte ich euch gerne eine Übung vorschlagen, die mit Falten und Wellen zu tun hat.

Ihr wisst, Falten und Wellen haben eine große Bedeutung in der Kunstgeschichte, vor allem in den alten Bildern. Die wunderbaren Kleider können wir uns ohne Falten und Wellen nicht vorstellen. Wir beginnen aber mit einer einfacheren Übung, und zwar dem sogenannten Fischgrätmuster. Ein Fischgrätmuster, das sind kurze Striche, immer gleich lang, leicht diagonal, von links unten nach rechts oben, und dann von rechts oben nach links unten.

Das zieht sich fast wie eine Zickzacklinie über den Stoff, in dem Fall über das Blatt Papier. Legt auf eurem Zeichenblatt in kurzen Linien so ein Fischgrätmuster an, die Linie natürlich wunderbar gezeichnet. Wichtig ist, ihr zieht die Linie nicht durch, wie bei einem Zickzackmuster, sondern die Linie ist kurz und abgesetzt. Ihr zieht eine kurze Linie zunächst von oben nach unten, brecht ab und setzt neu an und zieht eine kurze Linie von unten nach oben, setzt wieder ab, und so weiter.
Dadurch entstehen Begegnungslinien, vertikale Linien, wo sich entweder die Linien überschneiden oder eine ganz kleine, weiße Linie freibleibt. Das könnt ihr euch aussuchen und ausprobieren. Übt dieses Fischgrätmuster, bis euer Papier aussieht, als ob es gefaltet wäre. Das ist eine sehr schöne Arbeit, die zugleich viel Aufmerksamkeit von euch verlangt, weil ihr immer ganz bei der Linie bleiben müsst. Ihr dürft nicht mechanisch werden.

Wenn nämlich die Aufgabe einfach ist, glaubt man, man kann es schraffieren. Doch das ist nicht gemeint, sondern jede Linie ist absolut gezeichnet. Das lade ich euch ein, auszuprobieren. Wenn ihr mit diesem Fischgrätmuster das ganze Blatt Papier durchgezeichnet habt, dann kommt ihr vom gefalteten Papier zum welligen. Ihr könnt also ein zweites Blatt nehmen und das gleiche als Wellen zeichnen. Das heißt, ihr zieht die Linie durch und es entstehen Wellen, die sich immer wieder wiederholen. Linie für Linie ist gewellt und wiederholt sich.

In der Folge könnt ihr probieren, wie sich die Linie selbst verändert. Wenn die Linie von unten nach oben geht, ist sie zarter. Wenn sie oben ankommt, ist sie stärker, fällt dann stark herunter und wird wieder zart. So macht auch der Bleistift eine Bewegung mit der Welle, von starker Linie zu zarter Linie. Aber stufenlos! Von starker Linie zu zarter Linie.

Wenn euch andere Ideen zum Thema Faltungen und Wellen einfallen, sind diese Ideen natürlich immer herzerfrischend und ihr könnt sehr kreativ mit diesem Thema umgehen. Diese Falten und Wellen sind sehr einfach und anspruchsvoll zugleich, denn ganz bei der Bleistiftspitze zu bleiben ist, wie ihr wisst, eine sehr große Konzentrationsübung, die natürlich sehr, sehr gut für euer Gehirn und für euch insgesamt ist.

Man konzentriert sich, man fokussiert sich und die Gedächtnisleistung wird besser.

In diesem Sinne wünsche ich euch sehr, sehr schöne Ergebnisse!