Perspektive

In diesem Impuls möchte ich euch eine Übung vorschlagen, von der ich glaube, dass sie euch gefällt, oder ich hoffe es zumindest. Die Übung hat mit dem Thema Zentralperspektive zu tun. Ihr wisst, die Zentralperspektive war eine der großen Errungenschaften der Renaissance. Die Architekten haben zunehmend Plätze, und auch große Hallen, Kirchen und so weiter in dieser Perspektive gedacht und gebaut. In der Perspektive von einem bestimmten Blickwinkel aus, wo der Betrachter oder die Betrachterin einen Standpunkt einnimmt und die Fluchtpunkte ins Zentrum gerückt werden. Das ist eine besondere technische und gestalterische Errungenschaft der Renaissance.

Ich möchte euch diese Perspektive vorschlagen, allerdings mit einer sehr einfachen Methode. Ihr braucht dafür eine Schnur oder einen Bindfaden, den ihr in der Mitte des Zeichenblattes positioniert. Das heißt, ihr nehmt die Schnur doppelt, also ihr faltet sie einmal in der Mitte zusammen, und klebt dann das verbundene Ende ungefähr in der Mitte eures Blattes an. Sodass die Schnur in der Mitte punktuell befestigt ist und ihr links und rechts wie zwei freie Fäden habt.

Die Schnur soll einigermaßen festkleben, aber dann auch wieder ablösbar sein. Es wird euch etwas einfallen, wie ihr das technisch löst. Am besten eignet sich ein Wollfaden oder Spagat, aber jede andere Schnur ist auch gut. Wenn ihr das also in der Mitte fixiert habt, geht ihr folgendermaßen vor: Wenn ihr die beiden Fäden senkrecht hinunterhängen lasst, bilden sie wie eine Straße eine Doppellinie. Je nachdem, wie breit euer Kleber, eure Fixierung in der Mitte ist, ist der Abstand zwischen diesen beiden Linien größer oder kleiner.

Aber in jedem Fall ist es eine gedachte Doppellinie, ein Streifen, der von oben nach unten durchgeht und ein sehr schmales rechteckiges Format hat. Der zweite Schritt ist, dass ihr kleine Rechtecke zeichnet, querformatig oder hochformatig und sie wie im Rastersystem verteilt. Als ob viele kleine Schachteln auf eurem Platz liegen, die ihr von oben seht. Diese Rechtecke können hoch- oder querformatig liegen, sie können kleiner oder größer sein, und ihr verstreut sie über die Fläche links und rechts der Doppellinie. Damit haben wir schon den dritten Schritt gelöst.

Schritt 1 ist, den Bindfaden festzukleben, Schritt 2 diese schmalen senkrechten Streifen mit zwei Linien einzuführen und Schritt 3 diese Kästchen über das Blatt zu verteilen. Als nächstes nehmt ihr den Bindfaden, legt ihn an einer Ecke eurer Rechtecke an und zieht eine Linie. Die Linie endet nicht in der Mitte, wo der Bindfaden befestigt ist, sondern irgendwo unterwegs, nicht zu weit entfernt von eurem Rechteck. All diese Ecken eurer Flächen verbindet ihr mit Linien. Dadurch entstehen hohe Quader oder Kuben, wie Gebäude. Sie haben alle eine Verbindung, sie laufen alle zum Zentrum hin, aber sie münden nicht dort hinein, sondern hören früher auf. Was daraus entsteht, ist eine Hochhauslandschaft, die sich förmlich dreidimensional vor euch auftut.

Wenn ihr diese Körper, die fast dreidimensional scheinen, auch noch farblich gestaltet möchtet, ist es euch überlassen. Ihr könnt natürlich die Linien heller und dunkler variieren und ausprobieren wie diese Stadt, die sich mit dem Bindfaden und den Linien konstruiert, euch plötzlich eine neue Dimension erschließt, die ihr so nicht hättet konstruieren können.

Durch den Punkt mit dem Bindfaden in der Mitte ist die Zentralperspektive bei dieser Übung eine Perspektive, die mit dem Blick von oben ins Zentrum hineinfährt. Das gab es in der Renaissance zunächst noch nicht, wohl aber später bei den hohen Gebäuden, wie dem Petersdom und der Kathedrale von Florenz. Da hat man diese Perspektiven auch schon aus der Vogelperspektive gesehen.

Das möchte ich gerne, dass ihr ausprobiert und dabei euren Spaß habt. Nehmt das Blatt nicht zu klein, mindestens A3. Wer in einem Buch arbeitet, kann doppelseitig arbeiten und den Faden in der Falz des Buches montieren. Wenn ihr fertig seid und eurem Gefühl nach alle Gebäude in Linien manifestiert sind, könnt ihr den Klebestreifen vorsichtig herunter nehmen, den Faden entfernen.

Ihr könnt auch gerne die Doppellinie, die Straße noch mit einem Mittelstreifen definieren. Ihr könnt der Straße auch eine Farbe geben, wenn ihr möchtet. Ich wünsche euch sehr viel Vergnügen mit dieser perfekten Stadt mit Hochhäusern unterschiedlicher Höhe. Alles Liebe und eine gute Woche!