Der Rhythmus

Ich möchte in diesem Impuls mit euch etwas über das Thema Rhythmus nachdenken. Rhythmus, wenn wir ihn begreifen als ein fließend bewegtes Auf und Ab oder Stark und Schwach einer Linie oder eines Fleckes oder auch wenn man die Farbe einsetzt. Die vollkommene Darstellung eines solchen Rhythmus ist eigentlich der Kreis. In ihm ist dieses rhythmische Fließen angelegt, ohne Anhalten und von unbegrenzter Schnelligkeit oder auch Langsamkeit.

Das heißt, wir können einen Kreis zeichnen, langsam oder schnell, wir können ihn betonen mit zarter Linie, mit starker Linie. Wenn wir aber eine Hälfte dieser Kreislinie betonen, indem wir ein An- und Abschwellen erzeugen, wird der unnahbare Rhythmus des Kreises menschlich, warm und nah. Das müsst ihr ausprobieren, eine ganz neutrale Linie, um einen Kreis zu machen, oder ein An- und Abschwellen der Kreislinie.

Da entsteht jene Wärme eines lebendigen Pulsierens. Das erzeugt in uns einen Widerhall, wir empfinden etwas davon in unserem Innersten. Dieses an- und abschwellende Wiederkehren ist eine Wesenseigentümlichkeit von allem Rhythmischen. Es wird stark, es wird wieder zart, dieses Auf und Ab.

Es könnte eine Pendelschwingung sein. Das Ein- und Ausatmen. Der Herzschlag. Der Mond- oder Sonnenrhythmus, wie zum Beispiel Tag und Nacht oder Sommer und Winter. Das sind diese großen Umlaufzyklen der Gestirne. Aber alles ist in einem Rhythmus. Das lässt sich auch in andere Gefilde übersetzen, zum Beispiel das Gesetz der Serie. Auch da ist ein Rhythmus, ein ganz geheimnisvolles, rhythmisches Geschehen, da man nicht genau weiß, wie die Dinge zufällig gleichzeitig passieren können.

Wenn wir in unserer bildnerischen Arbeit mehr Einsicht in dieses lebendige Wirken von Rhythmen oder rhythmischer Formung nehmen wollen, machen wir sehr einfache Übungen. Wir üben es als erstes mit einem stehenden Rhythmus. Was ist ein stehender Rhythmus? Eine gerade Linie, so, als ob es immer gleichbliebe.

Dann gibt es einen nach links und nach rechts fortschreitenden Rhythmus. Also eine Welle, die einmal nach rechts oben anschwillt und nach links unten wieder abfällt oder umgekehrt. Ein Rhythmus ist immer dann schön dargestellt, wenn sich die Linien wiederholen. Da gibt es zum Beispiel den Doppelkreis oder die Schleife, das heißt eine stehende Acht oder eine liegende Acht. Ihr könnt ein ganzes Blatt mit stehenden Achtern machen und diese jeweils mit einem unterschiedlichen Verlauf der Linie versehen. So wird es lebendig. Genauso ist es mit der liegenden Acht. Ihr könnt entweder eine Form betonen oder sie fortschreitend entwickeln, das heißt an- und abschwellend, auf, ab, auf, ab, sehr einfach.

Es gibt nicht sehr viele einfache Möglichkeiten, aber die wollen wir üben. Übt das, aber werdet euch bewusst, dass diese Übungen sehr stark auf euch wirken. Seid vorsichtig, übt nicht zu lange in einem. Macht ein kleines Blatt, macht eine Pause, macht am nächsten Tag weiter oder nach ein paar Stunden. Übt das und probiert das.
In der liegenden Acht könnt ihr auch schwingen und sie als Reihe weiter fortsetzen, nicht absetzen, sodass die Acht einen fortschreitenden Rhythmus über die ganze Zeile entwickelt. Es ist immer eine Acht, aber ihr setzt nie ab. Oder die stehende Acht, wiederholt sie immer am selben Platz, aber nie ganz in derselben Linie. Genauso könnt ihr zum Beispiel einen stehenden Kreis immer wieder am selben Ort versuchen und sehen, dass sich dieser Kreis dann aus vielen Linien definiert und sich immer stärker und stärker betont. Das ist eine sehr schöne Übung, die ihr ausbauen könnt. Ihr könnt die Rhythmen einzeln setzen, ihr könnt sie übereinanderlegen, immer dieselbe Form, oder ihr könnt sie fließend fortschreiten lassen, mit dieser Form der Schlingen, der liegenden oder der stehenden Acht.

Damit probiert ihr aus, was dieser Rhythmus visuell hergibt und wie er sich anfühlt. Vielleicht mögt ihr bei diesen Rhythmen, die ihr übt, auf dem Blatt dazuschreiben, welches Gefühl es in euch erzeugt hat. Es kann durchaus eine sehr unterschiedliche Gefühlslage bedeuten, ob die Linie gerade ist, ob sie gebogen ist, ob sie auf und ab schwingt, ob sie sich am Stand wiederholt oder ob sie fortschreitet, als Zeile, als Linie, ob sie weitergeht und sich übereinanderlegt.

Ihr könnt mit diesem Rhythmus wunderschöne Flächen oder wunderschöne Formen erzeugen, die sich aus einer immer wiederholten, verstärkten Linie entwickeln. Ich wünsche euch sehr viel Freude bei dieser spielerischen Arbeit, bei der ihr gar nicht viel denken müsst, aber euch sehr stark einfühlen. Alles Liebe!