Wilde Zyklamen
Wilde Zyklamen sind die letzten Blüten, die der Herbst uns bietet. Die Zyklamen sind von einem herrlichen Duft. Sie werden manchmal auch das europäische Alpenveilchen genannt. Wir beschäftigen uns mit diesem wilden Gewächs, das so zart im Wald steht, meistens braucht es Eichen und Buchen in der Nähe, also einen Mischwald, und es braucht Kalkgestein. Dann kann es unter Umständen gedeihen. Das Alpenveilchen ist sehr selten geworden, in Deutschland ist es eine vom Aussterben bedrohte Pflanze auf der roten Liste. Auch in anderen Ländern ist es eine gefährdete Pflanze, inzwischen auch in Österreich. Umso mehr ist es eine Glückseligkeit so ein Pflänzchen zu sehen.
Die Blätter kann man das ganze Jahr über sehen, aber die Blüten nur im Herbst – jedenfalls habe ich sie bei meinen Beobachtungen immer nur im Herbst angetroffen. Die Knollen unter der Erde, aus denen die Pflanze herauskommt, sind sehr, sehr giftig. Sie können für den Menschen tödlich sein.
Auch Fische reagieren ganz extrem, die kleinsten Mengen genügen, um sie zu narkotisieren. Man verwendet dieses Gift daher auch im Fischfang, um die Fische zu betäuben und dann einzufangen. Natürlich hat so eine giftige Pflanze in der richtigen Dosis auch Heilkräfte. Die Heilkräfte der wilden Zyklamen sind seit Plinius bekannt. Von schwierigen Hauterkrankungen, über Furunkeln und Fisteln bis zu Erkrankungen des Unterleibs von Frauen gibt es viele Anwendungsgebiete und eine alte Weisheit zur Heilkraft dieser Pflanze. Und es ist bis heute so, dass die wilden Zyklamen der Medizin dienen.
Wir schauen sie allerdings mit ästhetischen Augen an und wollen sie in die Ästhetik des Zeichnens einführen. Da ist zunächst natürlich die Blüte, die von einer sehr, sehr zarten Form ist. Ihr könnt zunächst diese Blüte linear studieren. Linear heißt, mit Linien zu zeichnen. Genauso die Blätter, sie sind sehr markant und sehr beeindruckend. Aber gerade die Blätter laden auch dazu ein, in einer zweiten Zeichnung zu versuchen, das Ganze flächig aufzubauen.
Wenn ihr also auf das Blatt der Zyklamen schaut, seht ihr eine sehr markante Zeichnung innerhalb des Blattes. Das Blatt selbst hat eine Herzform, die sich innen fast noch einmal wiederholt, als ob noch ein Efeublatt in der Mitte wäre, und einen Strahlenkranz darum herum und darin diese schönen Linien. Natürlich fallen auch diese unterschiedlichen Grüntöne auf. Wenn ihr also dieses Blatt zunächst einmal nur linear mit der Blüte gestaltet, ist das die erste Zeichnung.
Für die zweite Zeichnung probiert ihr eben, das Blatt mit feinen Strichen auszuformulieren. Wenn ihr nur mit dem Bleistift arbeiten wollt, habt ihr Hell und Dunkel. Also das, was ihr in der vergangenen Übung mit den Stämmen, den geraden Elementen als Metapher aus dem Wald gegriffen, geübt habt. Genauso könnt ihr jetzt eine etwas diffizilere Übung angehen, anhand dieses Zyklamen Blattes. Indem ihr genau hinschaut, wo es heller ist, wo es dunkler ist. Und das kann euch auch zu dieser flächigen Zeichnung inspirieren.
Das ist aber auf einem eigenen Blatt. Wenn ihr neugierig seid und es direkt vergleichen wollt, könnt ihr durchaus die lineare Zeichnung und die flächige Zeichnung jeweils eines Blattes von dieser Pflanze nebeneinandersetzen. Keine großen kompositorische Spielereien anlegen, sondern sie symmetrisch nebeneinander anlegen, um die lineare Zeichnung der flächigen Zeichnung gegenüberzustellen und zu schauen, was passiert, wenn ihr das anschaut.
Also ihr habt drei Möglichkeiten: Nur linear zu zeichnen, auf einem Blatt, nur flächig zu zeichnen, auf einem anderen Blatt, und die dritte Variante: das Lineare und das Flächige, das wir sonst nie mischen, ausnahmsweise sozusagen als Studie auf einem Blatt nebeneinander zu stellen.
Ich glaube, es wird euch Spaß machen, ich hoffe es zumindest. Schaut euch die Dinge gut an. Vielleicht habt ihr in der Nähe einen Wald, wo ihr diese Pflanzen finden könnt. Wo sie so zart, in zartem Rosa oder Lila blühen. Und wo man, wenn man die Nase ganz nah hinhält, auch den Duft wahrnehmen kann. Richtet euch zuerst den Arbeitsplatz, dann euch selbst gut ein, atmet gut durch, setzt euch gut hin, vielleicht mit einer guten Tasse Tee oder einem Kaffee. Und dann studiert ihr dieses wunderbare Herbstgewächs Wilde Zyklame oder europäisches Alpenveilchen. Viel Spaß und gutes Gelingen!