Moose

Bei meinen täglichen Waldspaziergängen fallen mir im Herbst vor allem die Moose auf. Nach dem Regen sind die Moose besonders grün und prachtvoll. Es ist eine sehr lohnende Aufgabe, über dieses Gewächs zeichnerisch nachzudenken. Was zeichnet die Moose aus?

Sie sind, nach dem was man aus der Evolutionsgeschichte weiß, die ältesten Pflanzen, darauf kann man jedenfalls nach den fossilen Funden schließen. Es gibt über 60 000 Arten an Moosen. Sie kommen sogar in der Wüste vor und haben natürlich auch die Eiszeit überlebt. Das heißt, sie können bei sehr kalten Temperaturen tausende von Jahren eingefroren überleben und wenn das Eis dann wieder weg ist, beginnen sie bei der richtigen Temperatur wieder zu wachsen.

Auch wenn man das Moos austrocknet, kann es bei genügend Niederschlag wieder zu sprießen beginnen. Was bedeutet das? Moose nehmen nur die Feuchtigkeit auf, die von außen kommt. Sie haben kein Wurzelgebilde, mit dem sie etwas aus dem Untergrund aufsaugen, sondern sie leben vom Niederschlag, von der Feuchtigkeit, die sich in der Luft befindet.

Das macht sie so interessant, weil sie dadurch eine hohe Saugfähigkeit haben. Diese Saugfähigkeit war für die Menschen schon sehr früh interessant. Ausgetrocknete Moose hat man für Wundpflaster verwendet, denn sie sind auch antibakteriell. Manche Moose sind nicht nur keimtötend, sondern vernichten auch Pilze. Sie sind also auch medizinisch in Verwendung.

Im Ersten Weltkrieg, zum Beispiel, hat man Moosverbände genommen. Eben, weil sie viel Wundsekret aufgesaugt haben und auch antibakteriell waren. In den Naturvölkern hat man sie als Windeln und als Menstruationsbinden eingesetzt, und tut es bis heute. Auch als Dämmmaterial verwenden wir sie heute noch. Beim Schiffsbau oder beim Hausbau hat man früher die Ritzen damit ausgekleidet, damit der Wind nicht durchkann. Und, der Jahreszeit entsprechend, verwenden wir die Moose auch zu Weihnachten: für die Krippen.

Es gibt viele Moosarten, die vom Aussterben bedroht sind. Vorwiegend ist der Grund derjenige, dass man ihnen mehr und mehr Lebensraum wegnimmt. Es ist so, dass die Moose nicht nur dort gut gedeihen, wo es feucht ist, sondern auch dort, wo es dunkel oder ein bisschen ungepflegt ist. Sie wachsen über die Steine, auf Baumrinden und eher dort, wo nicht viel Sonne ist, also im Schatten. Diese Moose sind, wenn man sie aufmerksam anschaut, besonders aufgrund ihrer Struktur interessant – und damit sind wir beim Zeichnen.

Manche Moose sind sternförmig. Ihr habt vielleicht Moose in eurem Garten oder ihr beobachtet in der Natur selbst noch ganz andere Strukturen, das geht genauso. Auf jeden Fall, hier ist so eine sternartige Struktur und die ist relativ leicht zeichnerisch zu erfassen.

Wenn ihr ein paar Elemente genau anschaut und zeichnet, entwickelt ihr die Gelassenheit, um sie locker auf das Blatt zu setzen. Da könnt ihr viel Lockerheit, aber auch viel Freude damit empfinden. Geht also in den Wald, fotografiert wie diese Moose auf den Steinen verteilt sind. Wenn ihr mit den Augen auf das Foto schaut, könnt ihr das ausblenden, was sonst noch zu sehen ist und euch nur auf die grünen bemoosten Steine konzentrieren.

Denkt euer Zeichenblatt so, dass ihr Strukturen innerhalb einer Form schafft. Es wird sich eine Form bilden, die aussieht wie ein Stein – jedenfalls sehr abstrakt – und dann habt ihr mehrere solche Flecken, die ihr zueinander komponiert. Kleiner, größer, die Distanzen unterschiedlich und so weiter. Als Anhaltspunkt kann euch dieses Foto dienen. Ihr erarbeitet eine Struktur mit diesen kleinen sternförmigen Zeichen, die heller und dunkler sind. So entsteht eine räumliche Vorstellung, also etwas weiter unten oder höher oben gewachsen. So wie man es sieht, wenn man draufschaut. Und ihr habt eine zweite, gröbere Struktur in der Komposition, wie diese einzelnen Flecken zueinanderkommen. Man spricht auch da von einer Struktur, wenn sich mehrere Felder zusammengesellen.

Diese Strukturübung ist eine leichte, aber eine wichtige. Warum wichtig? Es geht um die Komposition. Immer wieder ist die Verteilung von Elementen von essenzieller Bedeutung. Und da könnt ihr euch locker und spielerisch mit dem ältesten pflanzlichen Wesen, das wir auf der Erde kennen, nämlich dem Moos, beschäftigen. Es ist nicht anstrengend. Es soll euch Freude machen. Und ihr werdet eure Ergebnisse auch entsprechend lieben. Das wünsche ich euch jedenfalls. Setzt euch wieder gut hin, macht es euch gemütlich. Schaut gut hin, vielleicht geht ihr auch spazieren. Ihr könnt dann loslegen, wann immer es für euch passt. Alles Liebe!