Milzkraut

Das Milzkraut ist eine Pflanze, die besonders im Frühling im Wald blüht, meist an den Rändern der Wege, dort, wo es feucht ist. Es ist ein Frühlingsgewächs, das oft unbeachtet ist; man sieht es und erkennt es zwar, aber man schenkt ihm keine besondere Aufmerksamkeit. In der Kunstgeschichte kommt es nicht vor und wenn man es findet, gibt man es wahrscheinlich nicht in eine Vase. Dennoch ist es ein Gewächs, von dem ich meine, dass es uns viel lehren kann. Das Milzkraut trägt diesen Namen deshalb, weil es, wenn man ein Blatt genau anschaut, an die Form der Milz erinnert. In früheren Zeiten hat man es auch als Heilkraut für Krankheiten an der Milz verstanden. Es gibt circa sechzig bis siebzig verschiedene Milzkräuter. Sie sind vor allem in Asien und auf der nördlichen Halbkugel zuhause und zählen zur Familie der Steinbrechgewächse.

Was für uns aber wichtig ist, ist das Milzkraut gut anzuschauen, weil es uns visuell so viel unterrichten kann, uns zeigen kann. Ich sage immer wieder, wir können von der Natur lernen, also nutzt die Chance in den Wald zu gehen und das Milzkraut genau anzuschauen, es mit heimzunehmen und vielleicht sogar in eine Vase zu geben. Das Milzkraut ist so etwas Unbedeutendes und doch so Faszinierendes, wenn wir es genau betrachten. Was fällt uns auf? Es ist vor allem dieser Wechsel von Gelb zu Grün. Wenn man dieses Gewächs betrachtet, hat man das Gefühl, die Farbe fließt von Gelb nach Dunkelgrün an den Rand hinaus. Das ist die zeichnerische Herausforderung, die ihr auch in der Malerei gut brauchen könnt. In diesem Impuls greift ihr also zur Farbe. Entweder zu einem Farbstift oder zu Ölkreide oder zu einer mit Wasser vermalbaren Farbe, etwa Aquarell oder Gouache Farbe. Acryl wird weniger günstig sein. Legt euch mehrere Farbnuancen von Gelb bis Dunkelgrün zurecht und dann schaut ihr ganz aufmerksam auf dieses Gewächs Milzkraut.

Ihr seht, dass es im Inneren Gelb ist. Wenn ihr es von weiter weg anschaut, ist es scheinbar nahezu ungebrochen gelb. Aber wenn ihr es ein bisschen näher zu euch heranzieht, seht ihr, dass das Innere der Blüte auch ein bisschen Grün in sich hat. Also es beginnt zwar mit Gelb, aber die Spitzen der Blütenränder sind schon ein bisschen grün und haben so zarte grüne Linien ins Gelb hinein. Auch im Inneren, das ein bisschen gallertartig aussieht, wo die Blütenstände und Staubgefäße sind, sind so kleine Pünktchen an den Rändern, die auch grün wirken. Schaut genau hin, wie sich die Farbe verhält.
Die Form ist einfach, diese zu erfassen könnt ihr inzwischen ganz locker. Wesentlich ist, dass ihr diesen Übergang tief versteht, von Gelb ins Grün hineinfließend. In den nächsten, etwas größeren Blättchen, die die Pflanze umgeben, spielt wiederum ein bisschen Gelb hinein, aber deutlich mehr das Grün. Die Blätter sind am Rand, vor allem an der Spitze vom Blatt, etwas dunkler im Grün und gehen wiederum ins Helle hinein, wo auch Gelb eine Rolle spielt. So ist es dann auch bei den großen, äußeren Blättern.
Wenn ihr genau hinschaut, sind sie anfangs innen noch etwas heller und gehen dann ganz dunkel an den Rand hinaus. Betrachtet dieses Phänomen der Natur, des Übergangs der Farbe. Natürlich studiert ihr auch die Form, die zeichnet ihr euch zart mit dem Bleistift an, aber dann liegt der Fokus auf dem Farbverlauf in den einzelnen Elementen, in den einzelnen Blättern. Versucht einen stufenlosen Übergang von Hell nach Dunkel, vom Gelb hinaus ins Grün. Aber jede einzelne Stufe hat sowohl als auch, das Grün kommt im Gelb vor und umgekehrt das Gelb auch im Grün.

Wenn ihr diese Übergänge studiert, mögen euch auch Gedanken durch den Kopf gehen, von etwas, das im Übergang ist, wo etwas von einem Zustand in den anderen wechselt. Gerade der Wechsel der Jahreszeit vom Winter in den Frühling ist in diesem unscheinbaren Milzkraut so schön zu sehen, eben von diesem Gelb ins Grün hinein, das alles so vereint, was Frühling bedeutet.

Das Milzkraut durch seinen Namen mit der Milz verbunden, dem Organ, das unter dem linken Rippenbogen neben dem Magen liegt und dafür zuständig ist, dass sich die weißen Blutkörperchen in der richtigen Weise vermehren. Daher hat die Milz wesentlich mit unseren Abwehrkräften zu tun. Es ist ein erweitertes Organ unseres lymphatischen Gewebes, also ein unscheinbares Organ. Man kann auch ohne Milz leben. Bei stumpfen Bauchverletzungen ist es zum Beispiel häufig so, dass die Milz reißt und dann entfernt werden muss. Aber dennoch hat die Milz die stille Verantwortung im Körper für unsere Abwehrkräfte.

Und die Abwehrkräfte können wir auch symbolisch betrachten. Wogegen wir uns schützen müssen, das sind nicht nur Bakterien oder Feinde von außen, die unseren Körper bedrohen können, sondern auch unsere Gedanken. Wir müssen unsere Gedanken im Positiven üben, sodass wir allein durch unser Dasein zum Frieden beitragen. Zur Pflege eines friedlichen und ausgeglichenen inneren Gemüts gehören eben auch unsere Gedanken. Studiert das Milzkraut also ganz genau, denn es hat viel mit diesem Frieden zu tun.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Zeichenerfolg mit viel Freude an der Farbe und friedlichen, positiven Gedanken!