Die Rose

Der Beginn des Sommers ist in unseren Breiten durch die Rosenblüte markiert. Einige Arten blühen nur einmal und intensiv. Manche blühen das ganze Jahr über, bis zum Frost. So lange ist die Rose dann in den Gärten zu sehen.

Die Rose hat eine gewaltige Kulturgeschichte. Sie taucht 3.000 – 4.000 v. Chr. bereits in China und in Babylonien auf. Von dort hat sie sich in Ägypten, bei den Griechen und natürlich bei den Römern fortgesetzt. In der griechischen Antike kommt die Rose immer wieder vor, es gab einen richtigen Rosenkult und die Rose wurde als „Königin der Blumen“ bezeichnet. Die Perser haben das Rosenöl erfunden. In Asien hat die Rose eine hohe heilige, rituelle Kraft.
Auch bei uns ist die Rose sehr beliebt, und hat nicht nur eine tief mythologische Bedeutung, sondern sie findet sich auch in der Architektur, in Märchen, wie „Dornröschen“ oder „Schneeweißchen und Rosenrot“, in Symbolen, in Liedern und in Gedichten – von Goethe gibt es eine ganze Reihe. Also es ist eine unglaubliche Geschichte, die solch eine Blüte der Menschheit in vielen Facetten schenkt.

Natürlich ist auch die Kunstgeschichte voller Rosen. In erster Linie haben Rosen dort immer die Bedeutung von Liebe. Wenn wir jemandem eine Liebeserklärung machen wollen, dann schenken wir eine Rose. Aber sie enthält auch den Schmerz, die Dornen. Da sind oft Liebe und Schmerz sozusagen auf einer Ebene, oder der Liebe folgt der Schmerz. Das kennen wir aus unserem Leben.
Die Rose ist auch in den verschiedenen Religionen von Bedeutung. Im Islam sie heilig. Im Buddhismus wird sie überall verwendet, zum Beispiel, um dem Buddha nicht nur einen Lotus, sondern auch eine Rose in die Hand zu geben. Und natürlich auch im Christentum. Besonders Maria ist schon sehr früh mit der Rose dargestellt, wie z.B. im Bild „Paradiesgärtlein“. Aber auch Christus ist oft damit gemeint, dessen Schmerz durch die Dornen dargestellt wird. Der Dorn ist das Symbol des Schmerzes, die Liebe ist in der Blüte.

Wir kennen duftende Rosen, Kletterrosen, Strauchrosen, wilde Rosen – es gibt unzählige viele Arten. Man kann sie nicht nur für Duftöle verwenden, sondern auch als Badezusätze, als Raumdüfte, als Zusatz zu Tees, und auch für die Heilkunde. Hildegard von Bingen hat die Rose ausführlich beschrieben. Wir kennen auch das Rosenholz. Oder den Rosenkranz. Und ihr werdet hunderte andere Beispiele aus dem Ärmel schütteln, wo die Rose eine Rolle spielt.

Für diesen Impuls möchte ich gerne, dass ihr euch die Rose als Formelement genau studiert. Die Rose hat 5 Blütenblätter und eben diese Dornen. Genau genommen sind es botanisch gesehen Stacheln, und keine Dornen, aber sprichwörtlich hat sich eben „Keine Rosen ohne Dornen“ durchgesetzt. Die Rose hat nichts Symmetrisches, die Blätter, die Dornen und die Blütenblätter gehen wechselseitig hinaus. Jede Rose hat eine bestimmte Farbe, auch dabei gibt es wieder viele Bedeutungen und Zuordnungen. Das ist jetzt fürs Zeichnen nur insofern wichtig, als dass sie gefüllt oder einfache Rosen sein können, dass sie kleine oder große Knospen haben können oder schon verblüht sind.

Seht euch die Rose sehr genau an, gebt euch wirklich ganz einer Naturstudie hin. Macht euch die Mühe, sie ganz genau nach der Natur zu zeichnen, auch wenn das eine Anstrengung ist. Das ist diesmal die Aufgabe. Naturstudie Rose. Ihr seht wahrscheinlich, wenn ihr genau hinschaut, viele Details, vor allem in den Blütenblättern. Wichtig ist in erster Linie, dass ihr die Kontur erfasst. Das Erfassen der Kontur eines Blütenblattes trägt schon die ganze Aussage, was eine Rose ist. Diese typische Art, wie sich die Blütenblätter zur Blüte zusammenformen. Wenn ihr das richtig erfasst habt, ist der Rest schon einfach. Es gibt die Rosen in unterschiedlich aufgeblühten Zuständen, von der noch geschlossenen Knospe, über die leicht geöffneten Knospen bis zur offenen Blüte. Die geöffneten Rosen sind fürs Erste vielleicht ein bisschen zu komplex, wenn ihr zeichnet. Also fangt eher mit einer Knospe an, so dass ihr die äußere Form erfasst. Ein besonders lohnendes Projekt wäre auch, dieselbe Rose jeden Tag zu zeichnen, und damit die einzelnen Entwicklungsstadien festzuhalten. Das könnt ihr gerne auf einem Blatt zeichnen, das dann die verschiedenen Entwicklungsstadien abbildet.
Wenn ihr sie genau studiert, gibt die Rose auch viele Informationen über ihr Innenleben, über das Wesen dieses Gewächses. Das ist das Schöne, wenn man eine Naturstudie macht, dass man beim Zeichnen besonders viel über das Wesen der Pflanze erfährt – oder jedes Gegenstandes, den man zeichnerisch genau betrachtet und zu erfassen versucht. Das Wesen der Rose wird für euch also sichtbar, es wird spürbar und erlebbar. Das bekommt ihr zurück, wenn ihr euch ganz ruhig hinsetzt, gut entspannt, gut durchatmet, ruhig werdet und euch von der Rose finden lässt. Vielleicht findet ihr sie in eurem Garten oder in Nachbars Garten, in einem öffentlichen Garten oder in einer Gärtnerei. Auf jeden Fall ist die Rose leicht zu finden, es gibt sie überall.

Erst um 1700 bekam die Rose ihre große Renaissance, in der sie bei uns eine so wichtige Blüte in den Gärten geworden ist. Heute haben wir eine unglaubliche Vielfalt an phantastischen Rosengewächsen.

Ich wünsche euch sehr viel Freude mit diesem Thema. Es ist ein bisschen anstrengend, aber ich bin sicher, ihr könnt es, weil ihr inzwischen das Bewusstsein für die Qualität der Linie habt. Natürlich zeichnen wir in die Rose keine Schatten hinein, sondern wir lesen das Innere der Rose nur über die Kontur ab. Das heißt, die Linie schwingt ganz zart, verstärkt sich da und dort, wird wieder zarter und dann wieder kräftiger. So entsteht dieses Spiel der Rosenlinien, die sich am Ende zu einem Duft zusammenfügen.

Schaut genau, wie die Dornen verteilt sind, wie sie sich krümmen. Schaut die Blätter an, wie die Spitze der grünen Blätter verläuft und sich beugt. Wie die Blätter sich vom Stamm wegbewegen. Der Stamm wird nur mit zwei nebeneinander laufenden Linien angedeutet. Nicht füllen. Arbeitet nur rein linear.
Ich wünsche euch, dass euch diese rein lineare Zeichnung einer Rose gut gelingt und ein Erfolg wird.

Alles Liebe für eure Rosen! Und die Liebe ist nicht nur das Symbol der Rose, sondern auch der Auftrag: Wendet euch mit liebevollen Gedanken und liebevollem Bewusstsein eurer Zeichnung zu.