Spiralen, durch die Licht bricht

Diesmal gibt es zwei Aufgaben. Die Spirale ist weiterhin das Thema. Wir bleiben noch bei der Spirale, die ist zu gut, um sie schon loszulassen. Aber das Thema wird etwas konkreter: die Spirale als Licht. Ihr geht folgendermaßen vor: Zunächst einmal setzt ihr ein Quadrat auf das Blatt. Mit dem Lineal. Und in dieses Quadrat hinein zeichnet ihr eine Spirale. Die hat eine Linie. Nur eine Linie.

Dann geht ihr mit einer Farbe eurer Wahl, das kann schwarze Tusche sein, oder eine andere Tönung, oder Kohle oder Bleistift oder Kugelschreiber, in das Quadrat. Mit kleinen Strichen, die dann zu einer Fläche verschwimmen, so flächig, dass nur die Linie weiß stehen bleibt. Der Hintergrund ist dunkel. Die Spirale bleibt im Weiß des Blattes. Und ihr sperrt diese Linie dann so nah wie möglich ein. Ihr müsst von links und rechts mit der Farbe die Linie begrenzen. Dann bleibt nur die Spirale frei. Schön wäre, wenn euer Quadrat groß wird. So, dass die Line auch einen Platz darin hat. Und so, dass ihr Platz habt, zwischen den Linien der Spirale mit eurer Farbe hineinzugehen. Das ist die erste Übung.

Die zweite Übung macht ihr auf einem zweiten Blatt. Ihr setzt wieder ein Quadrat aufs Blatt. Diesmal nicht zentral in der Mitte. Die Spirale setzt ihr nicht ganz in das Quadrat, sondern sie geht auch darüber hinaus in den restlichen Bildraum des Zeichenblatts. Und dann geht ihr wieder so vor, dass ihr innerhalb des Quadrates mit Farbe so zur Spirale hingeht, dass die Line weiß bleibt. Wie bei der ersten Übung. Aber außerhalb des Quadrates wird die Linie der Spirale Farbe annehmen. Nämlich die Farbe, die ihr für die Fläche im Quadrat verwendet habt.

Also, die erste Aufgabe ist ziemlich einfach. Die Linie der Spirale bleibt weiß. Es geht um die Spirale als Lichterscheinung. Für die zweite Aufgabe ist die Spirale teilweise im Quadrat, teilweise auf dem Rest des Blattes. Im Quadrat bleibt die Linie wieder frei, außerhalb des Quadrates wird die Linie dann die Farbe annehmen, die euer Quadrat bekommen hat.

Es geht also um die Erfahrung, dass eine weiße Linie in eine farbige Linie übergehen kann. Welche Farbe ihr verwendet, ist egal. Aber möglichst stark im Kontrast, das wäre gut. Das kann schwarz sein, blau, rot, grün. Die Linie, die dann außerhalb des Quadrates ist, vibriert natürlich. Die muss in diesem Heller-und-Dunkler-Werden weiterschwingen. Formuliert diese Linien schön aus.

Das ist eine einfache, aber sehr wirkungsvolle Zeichenaufgabe. Ihr werdet sehen. Ihr werdet schöne Ergebnisse erzielen, die ihr immer wieder auch in anderen Kontexten gebrauchen könnt. Also eine Linie, die von Weiß, in Farbe oder in Schwarz übergeht.
Es ist auch eine Aufgabe, die Genauigkeit erfordert. Diese Genauigkeit ist erforderlich, damit ihr die Linie schön herausarbeiten könnt, die weiß bleiben soll. Wenn man so feine Arbeiten macht, ist es leichter, wenn man im Zeichnen kleine Striche mit dem Pinsel, Bleistift oder Kugelschreiberoder Filzstiftstriche macht und nicht zu große Linien um die Linie, die frei bleiben soll.

Definiert die farbige Fläche mit kleinen Strichelementen. Das hat zur Folge, dass man sehr genau beobachten kann, wie sich die gezeichnete Fläche entwickelt. Und dass vor allem die Hand ruhiger wird. Alles wird dadurch ruhiger. Das Gemüt wird ruhiger. Die Hand. Man kann beobachten und schauen, wie sich etwas entwickelt. Und manchmal entwickelt sich im Arbeiten etwas, dass ein Innehalten bedingt. Dass man sagen muss: „Ah, das ist ja interessant, so habe ich es noch nicht gesehen. So lasse ich das jetzt stehen.“
Auch wenn es so vielleicht gar nicht die Aufgabe war. Ganz egal. Genau dann, wenn ihr das Gefühl habt, jetzt höre ich auf, ist vielleicht der richtige Augenblick zum Aufhören. Wenn dieser Impuls kommt, dann müsst ihr aufhören.

Etwas zu überarbeiten, weil man meint, man muss es, das bringt nichts. Da hat man etwas verloren, dass man nicht mehr zurückbekommt. Das tut oft weh. Also seid schön auf der Hut mit eurer Arbeit, indem ihr bewusst darauf schaut, wann ihr aufhören sollt. Genau dann ist die Zeichnung fertig. Dafür braucht es ein langsameres Vorgehen.
Diese langsame Arbeitsweise hat auch zur Folge, dass ihr, wenn ihr eine Zeitlang langsam arbeitet, eine große Tiefe in eurer Kraft erzeugen könnt. Indem sich diese Kraft entlädt, könnt ihr wunderbare Zeichnungen schaffen. Das ist womöglich die nächste Aufgabe oder die nächste Zeichnung. Die werde ich aber nicht benennen, weil ihr sie aus euch selbst schöpfen sollt, sehr spontan und sehr frei.

Dabei müsst ihr dann gar nicht die Augen schließen, sondern aus dieser tiefen, eingesperrten Energie plötzlich eine Explosion folgen lassen. Die wird sehr interessant werden, aber ich kann jetzt nicht voraussagen, wie sie aussehen wird. Ich möchte nur gerne, dass ihr euch selbst beobachtet in diesem Verinnerlichen, in diesem Kraft-Erzeugen, in diesem langsam Arbeiten und in diesem Hineingleiten ins Spontane, ins Intuitive.

Auch diesmal gilt es wie immer: beginnt eure Arbeitsphase sehr bewusst. Tut euch gut. Vorher Dehnen und Strecken und ganz bewusst Hinsetzen.

Mit einer Haltung, die für euch Freude bedeutet, Freude, jetzt zu zeichnen.