Raster zerschneiden und neu zusammensetzen
Wir sind noch immer beim Raster, weil das ein so unglaublich intensives Thema ist. Ich möchte euch den Raster in diesem Impuls in einer spielerischen Weise weiterentwickeln lassen. Und zwar mit zwei Teilaufgaben:
Die erste Aufgabe ist, dass ihr ein Blatt Papier nehmt und einen Raster zeichnet. Dieser Raster kann horizontale, vertikale und diagonale Linien haben. Aber keine Kurven, keine Schnörkel, nur gerade Linien, die ihr bis zum Blattrand durchzieht. Da gibt es stärkere Linien, zartere Linien, größere und kleinere Abstände. Ihr könnt mit Kohle arbeiten, dann sind die Linien besonders schön kräftig. Ihr könnt aber auch mit Pinsel und Tusche arbeiten oder mit Bleistift. Auf jeden Fall ist es schön, wenn ihr in Schwarz-Weiß arbeitet. Ihr könnt mehrere Blätter machen, um unterschiedliche Raster-Möglichkeiten auszuprobieren.
Diese Aufgabe erscheint einfach, aber sie bietet sehr viele Möglichkeiten. Wenn ihr drei, vier, fünf verschiedene Blätter macht, dann schauen all diese Raster unterschiedlich aus. Unter Umständen sind es ähnliche Ergebnisse, aber es muss nicht sein. Wenn ihr ein großes Blatt Papier habt, habt ihr vielleicht auch das Gefühl, dass es ziemlich lange dauert, die Linien von einer Seite zur anderen zu ziehen.
Man meint dann, man muss ganz schnell sein, damit die Linie wiederum schnell fertig ist und keine Unsicherheit zu spüren ist. Aber nein, die Linien sind sehr schön und sehr behutsam gezogen, denn sonst seid ihr nicht so konzentriert und die Linie ist nicht präzise. Die Sicherheit, auch wenn die Linien langsam sind, kommt mit der Zeit.
Dann stellt sich euch als nächstes die Frage, ob ihr spontan sein oder planen sollt. Auch das entwickelt sich während des Arbeitens. Beides bringt sehr unterschiedliche Ergebnisse. Ihr könnt euch zum Beispiel überlegen, wie bei einem karierten Blatt Linien von oben nach unten und von links nach rechts zu machen, ein Plan also. Oder ihr zieht einfach nach Gefühl Linien, ohne Plan, dann ergibt das eine ganz andere Zeichnung.
Es fällt vielleicht manchen von euch nicht so leicht, ein gleichmäßiges Netz über das ganze Blatt zu legen. Ihr müsst euch gut einsehen und einfühlen. Natürlich entsteht auch ein Netz von Verknüpfungspunkten dort, wo sich die Linien überschneiden. Diese gilt es, gleichmäßig ins Format zu setzen. Dann ist auch die Frage, wann ihr zu arbeiten aufhört, wann der Raster denn genug ist. Jede Linie ist ein weiteres Fortschreiten in eurem Raster und diese Entscheidung ist auf jeden Fall sehr subjektiv, sehr persönlich. Macht ihr viele Linien, macht ihr wenige Linien? Das entscheidet ihr für euch. Obwohl die Aufgabe so einfach ist, ist es wirklich eine komplexe Übung, die viele Möglichkeiten bietet.
Damit komme ich zur zweiten Teilaufgabe. Wenn ihr die Linien des Rasters auf euren Zeichenblättern habt, dann kommt das Spiel. Ihr zerschneidet die Blätter. Ihr schneidet entweder Streifen oder Rechtecke oder Quadrate, wie ihr wollt. Auf jeden Fall werden die Blätter in mehrere Teile zerschnitten und diese einzelnen Teile mit anderen getauscht. Ihr könnt die Stücke, die dabei entstehen, neu montieren und neu kombinieren und so einen ganz neuen Charakter eures Rasters entstehen lassen.
Dafür braucht ihr die Überraschung und die Zufälle, die durch das Zerschneiden und das Neu-Zusammensetzen zustande kommen. Neue, längere Linien entstehen, weil ihr Teile zusammensetzt, oder Linien brechen ab, weil ihr ein neues Stück hineinnehmt. Ihr habt durch die verschiedenen zerschnittenen Blätter auch die Möglichkeit, plötzlich Hell und Dunkel in euer neues Bild hinein zu komponieren, weil ihr die verschiedenen Blätter unterschiedlich gearbeitet habt. Genauso könnt ihr Groß und Klein in der Spannung halten, oder eine Richtungsänderung einschlagen. Oder ein bestimmter Rhythmus wird sichtbar, der zu eurem Thema wird. Ihr seht schon, ihr habt viele, viele Möglichkeiten.
Bleibt einfach. Bleibt ganz einfach. Wenn ihr mehrere Blätter mit einem Raster gezeichnet habt, diese zerschnitten und neu zusammengelegt habt, dann nehmt ihr ein leeres Zeichenblatt und klebt die neu zusammengesetzten Teile auf, wenn ihr die Entscheidung für eine neue Komposition, ein neues Ergebnis getroffen habt. Es entstehen neue Ränder, neue Strukturen, neue Rhythmen. Vollkommen neue, unerwartete Ergebnisse. Den Raster können wir noch nicht aufgeben. Er ist zu interessant, zu groß und vielfältig in den Möglichkeiten, die euch dazu einfallen. Probiert aus, übt und spielt. Dieses Spielen ist das, was euch das Gefühl für die Komposition gibt und euch hilft, die Möglichkeiten mit diesem Medium für euch nutzbar zu machen.
Ich wünsche euch sehr schöne Ergebnisse. Ihr werdet sehen, wie viel Spaß ihr haben und wie viel Überraschung ihr euch selbst bereiten werdet. Wenn ihr wollt, könnt ihr auch ausprobieren, ein Blatt in Farbe, zum Beispiel in Rot, zu machen. Dann könnt ihr plötzlich etwas in Rot in diese Schwarz-Weiß gehaltenen Blätter hineinkomponieren. Es wird euch sicherlich sehr, sehr vieles dazu einfallen. Schneidet kleine Stücke, schneidet große Stücke und probiert es einfach aus.
Ihr werdet einen neuen Charakter in eurem Raster finden und vor allem auch entdecken, wie schön diese einfache Übung sein kann und wie viele, schöne Ergebnisse ihr daraus entwickeln könnt. So wünsche ich euch gutes Gelingen!