Das Zündholz – Formenkomposition und Struktur

Immer wieder kommt beim Zeichnen das Gefühl auf, das Bild ist nicht spannend genug. Wie kann man das ändern? Das geht durch Proportionen. Sie sind eine gute Möglichkeit, um eine Zeichnung spannend zu machen. Dazu ist zu sagen, dass man diese Proportionen übertreiben muss – viel größer und viel kleiner – um diese Spannung tatsächlich zu bekommen. Was tut sich dabei im Bild? Es erzeugt eine Räumlichkeit. Ein sehr großes und ein winzig kleines Element gehen in Beziehung zueinander und erzeugen einen Raum in unserer Vorstellungskraft. Das ist wichtig zu verstehen und darum möchte ich in diesem Impuls die Frage der Proportionen vertiefen.

Und zwar mit einem Ding, das uns heutzutage zwar nicht mehr täglich begegnet, das aber jeder kennt: das ist das Zündholz. So ein Zündholz hat eine Stäbchenform und ist vorne ein bisschen abgerundet. Und es birgt in sich eine Proportion, mit dem Kopf, wo man es anreibt, um Feuer zu machen, das ganz klein im Verhältnis zum Rest dieses Hölzchen ist. Wenn ihr also ein Zündholz anschaut, ist das ein wunderbares dreidimensionales Formelement, das uns sehr zum Zeichnen anregen kann.

Legt ein paar Zündhölzer vor euch auf und spielt damit. Ihr könnt zum Beispiel viele verschiedene Figuren legen. Ich möchte aber noch nicht unbedingt, dass ihr sofort in die Figur geht, sondern dass ihr es zunächst einmal in verschiedene Strukturen legt. Versetzt, wie die Stühle im Kino oder im Theater, sodass der hintere zwischen den zwei vorderen ist und so weiter. Und dann schaut ihr, was passiert. Auch habt ihr durch dieses Zündhölzchen viele Punkte und viele Striche. Wenn ihr nur ein Zündhölzchen auf ein weißes Blatt Papier legt, werdet ihr merken, dass ein ganz feiner Schatten danebenliegt. Ihr könnt also damit beginnen, ein Zündhölzchen realistisch zu zeichnen, von mir aus auch einen rotbraunen Punkt und einen zarten Schatten. Das ist Aufgabe Nummer eins.
Danach geht ihr weiter und spielt mit mehreren Zündhölzchen. Ihr legt sie hin, spürt, ob das eine gute Komposition ist und zeichnet sie. Ihr könnt die Anzahl erhöhen, indem ihr Reihe für Reihe legt und diese Zündhölzchen dann auf einem Blatt durchzeichnet, zum Beispiel auch auf einem vorgezeichneten Rechteck. Wenn es euch dann zu viele werden, könnt ihr nur wenige, vier zum Beispiel, nehmen und versuchen, Kombinationen daraus zu entwickeln. Durch Drehen, durch Spiegeln, durch Überschneiden könnt ihr Unmengen an neuen Formfiguren bilden. Und jede dieser Formfiguren könnt ihr zeichnen. Ihr legt die Zündhölzchen und macht euch damit die Vorlage für euer Bild.

Das Wesentliche ist, dass ihr mit dem Legen dieser Zündhölzchen eine Erfahrung macht. Eine Erfahrung, wie sich diese Dinge anfühlen und wie sie aussehen. Was tut das kleine Ding Zündhölzchen mit dem anderen im Dialog zueinander? Das ist eine tiefe Erfahrung. Eine bildnerische Erfahrung, die wichtig ist, um ein Bewusstsein für die Elemente zueinander zu entwickeln. Die Aufgabe zu dieser abstrakten Formenkomposition mit den Zündhölzchen bewirkt auch, dass sich das Denken verbessert. Zugleich ist es eine Erarbeitung von neuen Darstellungsmitteln. Durch das Spielen erfährt ihr mit dieser einfachen Methode neue Ideen, wie ihr etwas darstellen könnt. Diese Übung zeitigt schöne Ergebnisse, und ich bin mir sicher, das tut es bei euch auch.

In weiterer Folge kann diese Übung der Proportion und der Formkomposition auch eine Strukturkomposition sein. Wenn ihr die Zündhölzer der Reihe nach hinlegt oder auch versetzt, bildet sich eine Struktur auf eurem Blatt. Auch das könnt ihr genau studieren. Außerdem ergibt sich durch dieses gleichzeitig schon angelegte, proportionale Verhältnis von Groß und Klein innerhalb des Formobjektes Zündholz noch eine weitere Proportion, nämlich von Hell und Dunkel. Das Verhältnis von Hell und Dunkel entsteht durch die Stäbchen, die nur linear gezogen sind, und die Spitze vorne, wo man es anzündet, die dunkel gearbeitet ist. Das könnt ihr in eurer Zeichnung mit vielen kleinen Punkt- und Strichelementen schön dunkel herausarbeiten. Wenn ihr wollt, auch gerne in Rot oder Rotbraun. Diese Kompositionen und Verhältnisse sind gar nicht genug zu üben, weil sie so sehr das Gefühl für das Räumliche im Bild steigern. Wenn ihr also nur mit einem Zündholz arbeitet, ist das eine ganz wichtige Angelegenheit, wo dieses Zündholz auf eurem Zeichenblatt sitzt. Probiert es vorher auf einem eigenen Blatt Papier gut aus. Und natürlich könnt ihr alle diese Formen, die ihr dadurch erfindet, auch mit Schatten versuchen. Es hängt davon ab, wie viel Zeit ihr dafür habt, wie viel Lust und wie viel Neugierde. Es gibt sehr viel zu entdecken mit nur einem einzigen Ding, nämlich dem Zündholz.
Ich wünsche euch sehr viel Muße und Freude und Lust euch mit einem scheinbar so alltäglichen Ding wie dem Zündholz zu beschäftigen, das so viel Inspiration geben kann. Setzt euch gut zu eurem Zeichenplatz, bereitet euch gut vor, geht auch in die Natur hinaus und vor allem, bleibt schön einfach! Einfachheit ist das Gebot der Stunde.

Gutes Gelingen!