Naturstudie – Heidekraut
Eine Zeit, in der es in der Natur besonders viele Metamorphosen zu beobachten gibt, ist der Frühling. Das ist ein sehr schöner Anlass, sich mit einigen Dingen zu beschäftigen, die uns den Frühling so willkommen machen. Es wird wärmer, das Wetter ist schöner, die Natur wacht langsam auf. Der meteorologische Frühlingsbeginn ist auf der nördlichen Halbkugel am 1. März und auf der südlichen Halbkugel am 1. September. Dagegen beginnt der astronomische Frühling, wenn Tag und Nacht gleich lang sind. Das ist rund um den 20. März, also etwas später. Aber dennoch, klar ist, dass sich das Wetter ändert, dass die Tage länger werden, dass wir mehr Sonne haben und dass unsere Frühlingsgefühle erwachen. Ganz besonders deutlich ist es, wenn wir in die Natur hinausgehen und da die ersten Blüten kommen. Die Schneeglöckchen, die Primeln, die Krokusse, die Leberblümchen, der Seidelbast, die sind alle schon im Aufblühen.
Immer wieder faszinierend ist es, wenn man durch die Wälder geht und im Wald alles rosarot ist vom Heidekraut. Es ist so ein unscheinbares buschiges Gewächs, das in der Fläche so fantastisch wirkt. Dieses Gewächs nehmen wir uns für diesen Impuls vor. Das Heidekraut wird so genannt, weil es eigentlich eine Pflanzenart der Heidelandschaft ist. Man kann es besonders dort gut sehen, wo es Kalkgestein gibt. Das Heidekraut ist eine unglaublich schöne farbige Angelegenheit. Es findet aber auch viele praktische Verwendungsformen.
Heidekraut ist sehr brauchbar, um Dinge abzudecken, und man kann es auch als kleine Besen verwenden. Das ist eine sehr alte Verwendungsart und davon leitet sich auch der Name ab. Der lateinische Gattungsname „Calluna“ kommt von einem griechischen Begriff, nämlich von „kallyno“, was mit „ich reinige“ oder „ich fege“ übersetzt wird. Die Verwendung als Besen ist auch noch im Namen Besenheide erhalten, wie das Heidekraut heute auch genannt wird. Eine andere Bezeichnung ist Erika, da das Heidekraut zur Familie der Ericaceae gehört. Natürlich gibt es auch viele regionale Begriffe, in Norddeutschland zum Beispiel Heid, in Österreich Heiderer, in der Schweiz Sefi. Der deutsche Name Heidekraut zeigt sich schon in der althochdeutschen Bezeichnung Heide. Ihr seht schon, dass das Heidekraut weit verbreitet ist. Natürlich ist um diese Zeit alles, was blüht, unglaublich wertvoll für die Bienen. Sie saugen aus den Heiden den Nektar und sammeln ihn für den Heidehonig. Sehr interessant sind außerdem die historischen Abbildungen dieser Pflanze.
Dieses Heidekraut ist nun der Ausgangspunkt für unsere Zeichnung und ich möchte euch einladen, genau auf die Blüten zu schauen. Diese Blütchen sind unglaublich in ihrer Zartheit. Sie sind klein, aber sehr robust. Wenn ihr sie genau anschaut, werdet ihr auch interessante Details in den Blüten finden. Sie haben eben diese wunderschöne blassrosa Farbe, die in der Fläche besonders schön zur Geltung kommt. Schaut euch dieses Gewächs im Detail ganz genau an und macht eine Naturstudie.
Nehmt die Freiheit in Anspruch, Teile davon herauszunehmen und diese auf einem Blatt zu studieren: wie schauen die Blätter aus? Wie schauen die Blüten aus? Wie sieht der Fruchtstand aus? Wie sieht der Blütenstempel aus? Wie sieht es von der Seite aus? Wie sieht das Kraut im gesamten aus? Wie sieht es ohne Blüte aus? Das alles könnt ihr studieren und die Teile auf das Blatt komponieren. Wenn ihr das Gefühl habt, die Pflanze aus dem Naturstudium jetzt gut zu kennen, nehmt ihr ein zweites Blatt, schließt die Augen und zeichnet es aus eurem Gedächtnis, aus eurem Gefühl heraus. Das ist eine sehr lohnende Sache.
Das Zeichen stellt euch oft vor Aufgaben, die nicht immer ganz leichte sind, aber ihr wächst mit den Aufgaben und den Herausforderungen. Für diese Herausforderungen kann ich euch hin und wieder diese Naturstudien in der Zeichnung ans Herz zu legen, weil die Natur die beste Lehrerin fürs Zeichnen ist. In der Form, in der Struktur, im genauen Hinschauen, im Sich-Einfühlen in die Form und in die Zeichnung. Eine Naturstudie, die nämlich viel Zeit, Geduld und Konzentration braucht, erinnert euch außerdem daran, wie wichtig die innere Ruhe fürs Zeichnen ist. Das Zeichnen verlangt von euch, sich Zeit zu nehmen, um sich zu vertiefen, um sich all diesen ästhetischen Fragen zuzuwenden.
Das tut man nicht so einfach, wenn man Stress hat, wenn man zu viele Termine hat, wenn man zu viel gleichzeitig unternehmen möchte und rastlos ist. Das Heidekraut ist deshalb auch eine Bestärkung in eurer Geduld. Das Heidekraut ist ein sehr genügsames Kraut, das auf kargen Böden wächst. Es bringt in der Fläche, im Gemeinsamen, eine wunderschöne Blüte über die Farben und über diese Vielzahl zum Ausdruck. Viele kleine Blüten bilden in der Fläche eine unglaubliche Schönheit. Und so ist es mit euch. Ihr bildet mit euren vielen schönen Zeichnungen eine Stärke für das Medium Zeichnen und für die Kunst der Zeichnung, der ihr euch hingebt. Also, geht spazieren und erfreut euch an den kleinen Blütchen des Heidekrauts!
Gutes Gelingen!