Dreidimensionale Linien im Außenraum – Stromnetz

Nachdem wir uns so intensiv mit der geraden Linie und dem zauberhaften E beschäftigt habt, gebe ich euch in diesem Impuls eine andere Idee, die euch hoffentlich ebenso inspiriert. Und zwar Linien im Außenraum, dreidimensionale Linien, die wir täglich beobachten können und die ihr bestimmt schon einmal beobachtet habt: Stromleitungen.

Im Zeitalter der Digitalisierung wird manches sehr schnell als analog abqualifiziert, wenn es noch händisch gemacht oder betrieben wird oder man eine Maschine dazu braucht. Aber diese ganze Digitalisierung ist undenkbar ohne Strom. Alles, was wir heute verwenden, Autos, Haushaltsmaschinen, Fernsehgeräte, Computer, Handys, Türöffner, hat begonnen mit der Idee von künstlichem Licht.

Man hat Strom schon vorher gekannt, im Zusammenhang mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Aber 1880 ist sozusagen das Stichjahr, als man den Strom für größere Entfernungen erfunden hat. Bis dahin hatte man maximal eine kleine Maschine mit Strom, um die Kraft direkt in eine andere Maschine zu übertragen. Aber dann wurde es möglich, Strom über weite Strecken zu leiten. Das war eben die bahnbrechende Idee von Edison, der die Idee von einer Kohlenfadenlampe, die uns bekannte Glühbirne entwickeln konnte, aufbauend auf sehr vielen Vorstufen von anderen großartigen Technikern und kreativen Menschen.
So kam die erste Straßenbeleuchtung zustande. Mehr oder minder ist diese Erfindung der Stromnetze eine europäische und ein bisschen amerikanische. So haben wir die Elektrifizierung im ländlichen Raum in Europa bereits in den 1930er Jahren zu 90% abgesichert. Zu der Zeit haben die Amerikaner erst begonnen ihr Land zu elektrifizieren.

Manche von euch werden sich an einfache Stromleitungen aus ihrer Kindheit erinnern, weil erst viel später die heute üblichen Hochleistungsstromleitungen gebaut wurden. Manche können sich vielleicht noch erinnern, wie die ersten großen Stahlmasten, die als sehr markante, grafische Zeichen in der Landschaft stehen, aufgekommen sind. Heute sind sie aus der Landschaft fast nicht mehr wegzudenken und wir sind sehr daran gewöhnt, diese Stromleitungen zu sehen. Natürlich gibt es noch immer Strommasten, die aus Holz oder auch schon aus Metall sind, die Kabel eines Hauses zum anderen leiten oder die Straßenbeleuchtung tragen. Oft finden wir die in ländlichen Gebieten oder in Straßenzügen, wo man die Verteilung des Stroms noch mit kleineren Maßstäben betreibt.
Für diesen Impuls geht ihr also in die Natur, aber diesmal schaut ihr nicht die Natur an, sondern die Stromkabel, die durch die Landschaft laufen. Schaut, wie sie durch die Landschaft gezogen sind, wie die Masten stehen, welche Linien ihr findet. Diese grafischen Zeichen der unglaublichen Erneuerung im 20. Jahrhundert, das so vieles möglich gemacht hat, macht ihr euch zum Thema.

Strom ist nicht für alle Menschen auf dieser Welt selbstverständlich. Es gibt noch weit über 1,3 Milliarden Menschen, die keinen Strom haben, vorwiegend in Afrika und Asien. Diese Tatsache führt auch dazu, dass wir uns fragen müssen, wie es gehen wird, den Strom für diejenigen zu erzeugen, die noch keinen haben. Selbst im Jahr 2030 ist aus Sicht der derzeitigen Entwicklung nicht zu erwarten, dass alle Strom haben werden.

In der Sahara, im Himalaya Gebirge und in diesen sehr, sehr entlegenen Gebieten vor allem in Afrika und Asien, ist es nicht so einfach Strom hinzubringen. Man kann kleinere Solaranlagen bauen, man kann Windräder bauen, aber das alles ist in vielen Regionen dieser Welt nicht so einfach zu bewerkstelligen. Also es ist noch nicht zu Ende elektrifiziert, auch in Europa nicht. Die deutsche Bahn hat zum Beispiel 60% elektrifiziert. Das große Ziel von 70% wird wahrscheinlich bis 2030 nicht zu erreichen sein.
Wir staunen, wie das Leben ohne Strom möglich sein könnte. Immer öfter diskutieren wir gar die besorgniserregenden, angsterzeugenden Horrorvisionen, was ist, wenn es zu einem Blackout kommt und der Strom nicht mehr funktioniert? Dann sollten wir vielleicht in die Regionen schauen, wo es selbstverständlich ist, keinen Strom zu haben, und uns vorstellen, wie das Leben auch dann möglich ist. Unter Umständen gar nicht so schlecht. Aber natürlich müssen wir auf allen Komfort verzichten. Da gibt’s dann keinen Computer, kein Internet, keine Kochplatte, keinen automatischen Türöffner, kein künstliches Licht.

Die Infrastruktur der Elektrifizierung besteht aus Strommasten und aus Stromleitungen. Ich wünsche euch, dass ihr viele interessante Perspektiven entwickelt, um diese Linien mit Stromkabeln und Strommasten zu sehen.